Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
bei einem namhaften Klub, bei Aris Thessaloniki in Griechenland, er wechselte erst später nach Ungarn.
Und trotzdem. Kouemaha findet keine Ruhe, Europa ist für ihn eine riesige Arena, in der er glaubt, sich beweisen zu müssen, immer und immer wieder. Weil ihm angeblich niemand Kredit gibt, weil ihm niemand vertraut, weil das Leben ein Kampf ist, jeden Tag neu. Das ist eine sehr afrikanische Sicht, das Leben als nie endender
Kampf. So sieht das nicht nur Dorge Kouemaha, so sehen sie es alle, Halbstarke in den Fußballschulen der Townships von Kapstadt, Südafrika, Kinder auf den staubigen Plätzen von Accra, Ghana, Jugendspieler in der Elite-Akademie Sol Béni, Elfenbeinküste, und so sieht es auch ein Weltstar wie Samuel Eto’o aus Kamerun. Als er im Sommer 2004 von RCD Mallorca zum FC Barcelona wechselte, sagte er bei seiner Vorstellung im Stadion Camp Nou: »Ich verspreche euch: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weißer.«
Der Glaube, nicht zu genügen in den Augen der anderen, keine faire Chance zu bekommen und das wenige Erreichte wie ein Löwe verteidigen zu müssen, dieses Gefühl der Ohnmacht und Minderwertigkeit wurzelt tief in Afrika. Es reicht zurück bis weit in die Kolonialzeit, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts endete. Es pflanzte sich fort von Generation zu Generation, und noch heute ist aktuell, was der schwarze Schriftsteller und Psychiater Frantz Fanon 1961 in seinem Buch »Die Verdammten dieser Erde« schrieb: »Gegenüber der kolonialen Ordnung befindet sich der Kolonisierte in einem Zustand permanenter Spannung. Die Welt des Kolonialherren ist eine feindliche Welt, die ihn zurückstößt, aber gleichzeitig ist sie eine Welt, die seinen Neid erregt. Der Kolonisierte ist ein Verfolgter, der ständig davon träumt, Verfolger zu werden.«
Für einen Fußballer ist es gefährlich, in diese Spirale zu geraten, sich umstellt zu sehen von lauter Feinden. Solch ein Spieler verliert die Ruhe am Ball, seinen Instinkt, seine Intuition, seine Reflexe, die ihn innerhalb von Sekundenbruchteilen das Richtige tun lassen. Dorge Kouemaha hat sich die Gelassenheit auf dem Platz noch bewahren können. In den paar Minuten, die sie ihm geben in diesen
Tagen beim FC Brügge, spielt er abgeklärt, verliert kaum einen Ball, er macht nicht den Fehler, zu viel zeigen zu wollen in zu wenigen Szenen.
Aber jenseits des Platzes? Kampf, Misstrauen, auch Gier.
In Belgien gibt es einen Fonds, in den Profifußballer dreißig Prozent ihres Jahresgehaltes einzahlen müssen. Das Geld wird eingefroren und nach dem Karriereende ausgezahlt, frühestens nach dem 35. Lebensjahr. Es ist gedacht als Sicherungsnetz für die Spieler, die am Ende ihrer Laufbahn nicht ohne alles dastehen sollen. Es hat schon zahlreiche Fälle gegeben, auch prominente, in denen Fußballer viel Geld verloren und in Not gerieten, weil sie den falschen Beratern vertraut hatten oder den falschen Frauen, oder weil sie spiel- und wettsüchtig waren.
Als Kouemaha im Sommer 2009 nach Brügge wechselte, beschwor er König geradezu, einen Weg zu finden, die Fondszahlungen zu umgehen. »Hol das Maximum raus, jetzt und sofort«, das waren seine Worte. Es kostete König viel Zeit und Kraft, Kouemaha für den Rentenfonds zu gewinnen, ihn davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, nicht nur im Moment zu leben, sondern vorzusorgen, investiertes Geld nicht als verlorenes Geld zu betrachten. Es ist ein mühseliger Job für König, ein Kampf gegen Windmühlen oft. Er sagt: »Wenn ich einen afrikanischen Spieler frage: Willst du heute einen Dollar verdienen oder morgen zwei? Dann lautet die Antwort in 99 Prozent der Fälle: Gib mir den einen Dollar heute.«
Es ist ein Muster, das einem oft begegnet auf dieser Reise durch den afrikanischen Fußball: fehlendes langfristiges Denken, keine Visionen, stattdessen abschöpfen, auspressen, zu
Geld machen, was sich zu Geld machen lässt - auch wenn damit die Zukunft verkauft wird.
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Aber darf man das ernsthaft erwarten von einem Spieler wie Dorge Kouemaha: Geduld, Visionen und nachhaltiges Handeln, die berühmte sustainability , das Zauberwort so vieler Entwicklungsexperten? Kouemaha ist nach Europa gekommen, um Geld zu verdienen, möglichst viel in kurzer Zeit. Er ist gekommen, um auszusorgen für sich und seine Familie in Loum, Westkamerun, hundert Menschen sind das, und es werden immer mehr, denn wenn einer Geld hat in Afrika, fühlen sich viele der Familie
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