Ich Will Ihren Mann
das Abbild ebenmäßiger Vollkommenheit. Sogar Nicoles dunkles Haar schien wie geschaffen, seinen blonden Schopf zu betonen, so daß beider Vorzüge noch wirkungsvoller zur Geltung kamen. Zum Teufel mit der Objektivität, entschied Lilian energisch und schüttelte ihre rötliche Mähne. Doch ein paar Strähnen klebten widerspenstig im Nacken fest. Wenn sie guter Laune und mit sich im Einklang war, redete Lilian sich ein, sie sehe aus wie Carly Simon. Aber da das noch nie jemand anderem aufgefallen war, mußte es wohl eine recht entfernte Ähnlichkeit sein. Eigentlich war es auch ganz unwichtig. David hatte sie geheiratet, und er hatte aus diesem Grund eine äußerst attraktive Frau verlassen. Der Gedanke an Davids frühere Untreue und an seine Scheidung war allerdings nicht gerade dazu angetan, Lilians Selbstsicherheit zu stärken. Sie wollte nach Hause. Vielleicht konnte sie eine Unpäßlichkeit vorschützen... ihr Magen, die Hitze ... »Na, wie gefällt's dir an der Uni?«
Die Stimme hatte sie so überrascht, daß sie merklich zusammenzuckte, ehe sie sich zu Beth Weatherby umwandte. Al Weatherbys Frau war eine der ganz wenigen unter den Kollegenfrauen, mit denen sie irgend etwas gemeinsam hatte.
»Großartig«, log Lilian und sah sofort, daß Beth ihr nicht glaubte.
»Du findest es grauenvoll, stimmt's?« lachte Beth. Sie war fünfundvierzig, zwölf Jahre jünger als ihr Mann. Die beiden waren seit siebenundzwanzig Jahren verheiratet. Ein Umstand, über den Lilian nicht müde wurde, sich zu wundern: unvorstellbar, daß jemand mit achtzehn wußte, was er wollte, und sich fast drei Jahrzehnte später immer noch dasselbe wünschte. »Ich hab' gesehen, wie Al dich vorhin ausgefragt hat«, sagte Beth, als habe sie Lilians plötzlichen Gedankensprung erraten. »Nicht zu fassen. Ein erwachsener Mann und führt sich auf wie ein Kind! Er hat sich die halbe Nacht damit um die Ohren geschlagen, Kinofragen auszubrüten, die dich verblüffen würden.« Lilian lachte.
»Du vermißt es sehr, nicht wahr?« erkundigte sich Beth unvermittelt.
»Vermissen? Was?« fragte Lilian zurück, obwohl sie die Antwort ganz genau kannte. »Das Fernsehen«, sagte Beth erwartungsgemäß. »Ja«, entgegnete Lilian zerstreut. Nicole Clark war plötzlich wieder aufgetaucht und nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Lilian beobachtete, wie das Mädchen sich einen Weg zu David bahnte, und sah ihren Mann ganz selbstverständlich zur Seite rücken, um den Neuankömmling in die Unterhaltung einzubeziehen. »Wer ist das?« fragte sie Beth Weatherby. Beth blickte zu der mächtigen Trauerweide hinüber. »Die Kleine, die mit deinem Mann spricht? Ich weiß ihren Namen nicht mehr, aber sie ist 'ne Neue. Ich glaube, sie ist Jurastudentin und macht diesen Sommer bei Weatherby & Ross ihr Praktikum.«
»Sie wird Rechtsanwältin?«
»Al sagt, sie habe große Chancen. Hochintelligent. Weißt du, wenn ich's mir überlege, ich glaub', er hat nie mehr jemanden so gelobt wie sie, seit er damals David kennenlernte und ihm anbot, in die Firma einzutreten. Er ist überzeugt, daß sie eine geradezu phantastische Karriere vor sich hat. Meinst du nicht auch, daß sie in einer Robe einfach entzückend aussehen würde?« Lilian spürte, wie ihr Magen sich hob. »Entschuldige mich einen Moment, ich fühle mich nicht wohl.« Sie zog sich ineine ruhige Ecke zurück. Ihre Absätze sanken tief in den Boden, so als ob sie auf der Stelle festgewurzelt sei. Beth Weatherby trat neben sie und kramte ein paar große, weiße Pillen aus ihrer gelben Strohtasche. »Antacid«, erklärte sie, noch bevor Lilian eine Frage stellen konnte. »Nimm dir 'n paar.« Lilian steckte zwei Tabletten in den Mund. »Zerkau sie.«
Lilian gehorchte und verzog angewidert das Gesicht. »Ich weiß, sie schmecken scheußlich, wie Kreide. Aber sie helfen. Ich nehm' sie schon, so lange ich denken kann. Wegen der Magengeschwüre«, kam sie Lilians Frage zuvor. »Wieso, hast du Magengeschwüre?« erkundigte sich Lilian ehrlich erstaunt.
»Berufsrisiko«, sagte Beth und lächelte. »Schicksal, wenn man die Frau eines vielbeschäftigten Anwalts ist.« Außerdem hat sie drei Kinder großgezogen, dachte Lilian und erinnerte sich plötzlich, daß David ihr neulich erzählt hatte, der Jüngste, der gerade erst siebzehn war, habe die Schule verlassen, um den Harekrischnas beizutreten. David hatte ihr im selben Atemzug die Erlaubnis gegeben, seinen eigenen Sohn zu erschießen, sollte der je eine ähnliche
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