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Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Hafenmord - ein Rügen-Krimi

Titel: Hafenmord - ein Rügen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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PROLOG
    Der Typ war topfit. Von Buschvitz nordöstlich von Bergen über die Boddenstraße und Lietzow bis nach Sassnitz an den Hafen waren es gut und gerne zwanzig Kilometer, für die er mit seinem schwarz-roten Crossbike kaum fünfundvierzig Minuten brauchte. Der Mann sei ein bestens trainierter Triathlet, der keine Mühe habe, mal eben fünfzig Straßenkilometer unter die Pedale zu nehmen, hatte Tim gesagt. So sah er auch aus: Eine drahtige Gestalt in Radsportklamotten, der kleine Rucksack saß perfekt, windschnittiger Helm. Man dürfe ihn keinesfalls unterschätzen, hatte Tim noch betont, und der, selbst Ausdauersportler, musste es ja wissen.
    Steffen folgte dem Mann seit einigen Tagen wie ein Schatten. An diesem Morgen war er, wie abgesprochen, in aller Herrgottsfrühe über die Rügenbrücke von Stralsund herübergekommen, vorbei an der blaugrün gestrichenen Volkswerft. Die ersten Angler hatten bereits ihre Plätze eingenommen und trotzten stoisch dem Wind. Steffen hatte keine Ahnung, warum Tim wissen wollte, was dieser Kerl trieb.
    »Sein Name ist Kai Richardt, und er ist ein mieses Schwein. Alles Weitere wirst du zu gegebener Zeit erfahren«, hatte er nur gesagt.
    Aber eigentlich spielte das ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Es war Tim wichtig, über jeden seiner Schritte Bescheid zu wissen, ob der Mann nun geschäftlich unterwegs war, zu Hause auf der Terrasse saß, mit seinen Kindern herumalberte oder sein Trainingsprogramm abspulte. Also machte Steffen seinen Job, und er war felsenfest davon überzeugt, dass er ihn völlig unbemerkt erledigte.
    Es gab kaum etwas, was Steffen für Tim nicht getan hätte – seit jener Nacht, als er ihn davor bewahrt hatte, von einer Horde rechter Arschlöcher fertiggemacht zu werden. Wie lange war das her – drei Jahre? Vier? Egal – eine halbe Ewigkeit. Steffen hatte damals auf der Straße gelebt und war richtig heruntergekommen. Seine eigene Mutter hätte ihn kaum wiedererkannt – wenn sie sich die Mühe gemacht hätte, ihm einen Blick zuzuwerfen.
    Eines Nachts hatte er in einem Hauseingang in der Heinrich-Mann-Straße in Knieper-Nord Schutz gesucht. Die vier Glatzen waren ihm erst aufgefallen, als sie direkt vor ihm gestanden hatten. Einer hatte ihn festgehalten, ein Zweiter zugetreten, ein Dritter losgedroschen wie ein Irrer, der Vierte hatte zugesehen und höhnisch dazu gegrölt. Wenn Tim nicht zufällig vorbeigefahren und angehalten hätte, um ihm zu helfen, wäre die Sache übel für ihn ausgegangen. Sehr übel.
    Seitdem hatte sich nicht alles, aber doch manches grundlegend geändert. Steffen lebte nicht mehr auf der Straße, sondern wohnte in einem Zimmer unter dem Dach des Vereinsheims in Stralsund, in dem Tim sich regelmäßig mit seinen Sportsfreunden traf, und erledigte im Lokal und in Tims Sportgeschäft alle möglichen Jobs. Er fuhr einen alten weinroten 500er Fiat, an dem er wochenlang herumgeschraubt hatte. Hin und wieder soff er noch, aber deutlich weniger und niemals, wenn er mit dem Wagen unterwegs war. Darauf hatte er Tim sein Ehrenwort geben müssen. Er trieb Sport, vornehmlich Kampfsport, und es verschaffte ihm ein tiefes Gefühl der Befriedigung, wenn er spürte, wie gut er in Form war – trotz allem, was er seinem Körper im Laufe der Jahre zugemutet hatte.
    Doch gegen die bleischwere Mutlosigkeit, die ihn seit seiner Jugend regelmäßig heimsuchte, schien kein Kraut gewachsen zu sein und auch nicht gegen diese eindringlicheGewissheit, dass sie ihn eines Tages zerstören würde – egal, wie sehr er bemüht war, sein Leben in den Griff zu bekommen, und egal, ob ihn jemand wie Tim zu retten versuchte.
    Hinter dem Großen Wostevitzer Teich bog Kai Richardt zunächst in Richtung Fährhafen ab, um dann im Affenzahn am Kriegerfriedhof und Schmetterlingspark vorbeizusausen und Kurs auf den Sassnitzer Stadthafen zu nehmen. Dort drosselte er das Tempo deutlich und radelte schließlich gemütlich auf das Gelände der Fischfabrik, um am Haupteingang des Bürotrakts zu halten. Er stieg ab, lockerte kurz seine Beine, löste den Verschluss des Helms und betrat das Gebäude mit schwungvollen Schritten.
    Steffen lenkte seinen alten Fiat auf den Parkplatz am Fischimbiss und parkte ihn hinter einem Transporter. Er stieg aus, hielt die Nase in den Wind und überlegte gerade, sich ein Matjesbrötchen zu besorgen, als der Biker wieder auftauchte. Steffen trat rasch hinter den Transporter und ging in die Hocke, ohne den Mann aus den Augen zu lassen.
    Statt sich

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