Ich will kein Autogramm (Ich will kein ...) (German Edition)
bedienen. Rosa, seine Ablöse, kommt erst um sechs.
Tinis Handy läutet.
Na super, mich ruft ja nicht einmal irgendjemand an. Wen habe ich denn schon? Meine Kollegen aus der Arbeit. Und Tini und Sanni. Und dann? Finstere Nacht am Freundschaftshimmel. Aber das ist ja auch kein Wunder. Ich wohne ja mehr in der Redaktion als bei mir zu Hause.
Und außerdem, mit wem quatscht sie denn da so lange und lacht auch noch so verräterisch?
Mist, mein Kleid zwickt noch mehr als zuvor. Dabei habe ich erst zwei Gläser vom Prosecco getrunken. Gut, ein paar von den Nüsschen habe ich auch gegessen. Aber die können sich doch nicht postwendend auf meine Hüften werfen, oder?
Ein weiteres Mal schwirrt da dieses unschöne Bild durch meinen Kopf: Ich im Brautkleid von Anna. Eine erbärmliche Gestalt in dieser Traum-Robe. Ich sehe es vor mir, wie die Gäste verhalten lächeln, sobald einer zynisch meint, »Oh, was für eine wunderschöne Braut!«
Und schon rinnen sie: Blöde Tränen. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich geweint habe. Weil ich doch keine Heulsuse bin! Das ist Sanni. Der findet immer alles berührend. Ich normalerweise nicht.
Wie auf Kommando steht Besagter neben mir, beugt sich herunter und drückt mich ganz fest. Wortlos. Doch ich höre ihn kurz seufzen.
Tadelnd schaue ich ihn an und versuche zu lächeln. »Hey, Sanni. Es wird schon wieder. Keine Sorge. Du weißt, ich bin eine von den Toughen.«
»Ja bist du, Engelchen. Sicher doch. ... Na klar.« Schnief. »Du hast natürlich völlig recht.« – Danke Sanni, jetzt lass es aber einmal gut sein, so fühle ich mich ja gleich noch beschissener. Das denke ich mir aber nur. Sagen kann ich Sanni so etwas nicht.
Sanni macht einen Abgang. Er muss weiterarbeiten.
Tini hört endlich auf zu telefonieren und kann sich mit ihrer gesamten Aufmerksamkeit meinem Elend widmen. Doch ich habe es bemerkt, dieses verdammt verdächtige Funkeln in ihren Augen!!!
»Raus mit der Sprache, Tini. Mit wem hast du jetzt da so ewig geflirtet?«, frage ich sie.
»Ach«, kommt lang gezogen. »Das war nur Steve.«
»Who the fuck is Steve?«, schieß ich sie an.
»Mhm, ja also, ich habe dir das jetzt noch nicht erzählen können. Aber ich habe doch gestern diesen Event für die Juristen gemacht. Also du weißt schon. Ich habe diesen Kongress für fünfhundert internationale ...«
»Und?«, fahre ich dazwischen. »Tini, ich will nichts über diesen Kongress wissen, sondern einfach nur, wer Steve ist.«
»Na ja, am frühen Abend, also da war ja quasi schon alles gelaufen, auf jeden Fall hat mich einer der Gäste, also dieser zuckersüße Amerikaner, noch auf einen Drink eingeladen.«
Pause.
Ich kann mich fast nicht mehr halten. Was wird das heute? Mein Weltuntergangstag? Mein Ex heiratet und meine beste Freundin und Mit-Ritterin im Single-Dasein hat sich so mir nichts dir nichts verknallt?
»Weiter im Text«, keife ich sie ungeduldig an.
»Ja also, und dann haben wir eben noch in einer Hotelbar, gleich neben dem Kongressgebäude, etwas getrunken.«
Tini hat rote Wangen und fährt sich durch ihr kurzes, blondes Haar. Will sie schon wieder eine Schweigeminute einlegen?
»Wenn du jetzt noch einmal mit JA ALSO anfängst, erwürge ich dich! Ich will Fakten.« So, jetzt muss sie ja einmal auf den Punkt kommen.
»Ja, ähm die Fakten.« Wieder nichts. Und dann sagt sie es so schnell, dass ich es fast nicht verstehen kann: »Ja, naja, wir sind dann im Bett gelandet und er ist einfach nur süß und will mich heute Abend wiedersehen.«
Ups. Das verlangt tatsächlich nach einer Pause. Diesmal von mir.
Um das erst einmal zu verdauen, trinke ich gleich zwei Gläser Prosecco hintereinander.
»Er kommt her?«, lautet meine logische Schlussfolgerung.
»Na ja, nein. Ich habe ihm gesagt, meiner besten Freundin geht’s nicht gut und daher können wir uns heute nicht treffen.«
Shit. Mir rinnen die Tränen herunter. Da ist Tini, wie es scheint, frisch verliebt und verzichtet nur wegen mir auf dieses Treffen mit Steve? Aber wer weiß, vielleicht ist sie ja mittlerweile zur Überzeugung gelangt, dass er ein Ausrutscher war. - Hat aber irgendwie nicht so geklungen.
»Du bist so süß, Tini!« Jetzt muss ich schniefen. »Aber hey, wenn dir was an ihm liegt, dann triff ihn doch. Oder er soll herkommen?«
Auf meine geradezu heroische Selbstlosigkeit trinke ich das nächste Glas. (Sanni hat in der Zwischenzeit eine neue Flasche gebracht. Die erste ist leider schon tot.)
Tini umarmt mich stürmisch.
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