Ich will kein Autogramm (Ich will kein ...) (German Edition)
zurück, ohne dass ich wirklich hinter das aufgeschlagene Blatt spähen kann.
Ein Deutscher, soviel habe ich gehört. Mit einer goldenen Ray-Ban im Haar und Jeans an den Beinen. Mehr kann ich von ihm nicht sehen. Na bravo. Der Charme in Person.
»Kann ich bitte einmal Ihre Bordkarte sehen?«, fragt mich eine emsig herbeigeeilte Stewardess.
Ich zeige sie ihr. Sie läuft rot an. Was ist?
»Ah. Ja, Frau Dohm. Leider, es ist so, dass wir tatsächlich Ihre Sitzplatzreservierung ändern mussten.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
»Und jetzt?«, frage ich sie forsch.
Verschwörerisch und leise murmelt sie, »Wissen Sie, VIP-Service wird bei uns großgeschrieben, da kann ich auch nichts machen. Aber hier am Gang, gleich daneben, haben wir für Sie reserviert.«
Okay, also im Klartext: Ich bin ein Niemand und die Sonnenbrille samt Zeitung ist ein VIP? Deshalb darf er am Fenster sitzen und ich nicht? Ich schaue sie verschnupft an, sehe jedoch ein, dass sie ihre Meinung wohl nicht ändern wird. Sie wirkt so entschlossen, gleichzeitig aber auch peinlich berührt.
Eh egal. Fenster ade, dann halt nur Sessel am Gang in der Business.
»Na gut, wenn es sein muss«, gebe ich mich geschlagen.
»Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie Herrn Maass Ihren Platz überlassen Frau Dohm. Darf ich Ihnen dann vielleicht ein Glas Sekt bringen?«
Friedensangebot?
»Ja, gerne.«
Habe ich mir nicht erst gestern geschworen, nie mehr in meinem Leben Alkohol anzurühren? Und jetzt gedenke ich wieder, Sekt zu trinken? Am Vormittag?
Halleluja. Mit mir geht es echt bergab.
Seufzend nehme ich das Glas entgegen und kippe es hinunter. Die Zeitung neben mir rührt sich keinen Millimeter.
Schlussendlich packe ich mein iPad aus und lehne mich damit gemütlich zurück. Jetzt werde ich einmal lesen, was mir Walter so alles an Infos für das Interview geschickt hat. Ich habe nämlich noch keinen blassen Schimmer, wer der Typ genau ist, den ich da einen Tag lang nicht mehr aus den Augen lassen soll.
Aber ich bin Wirtschaftsjournalistin. Eine erfolgreiche und gefürchtete noch dazu. Meine Kollegen in der Redaktion sagen das. Um ehrlich zu sein, ich weiß gar nicht, was sie damit meinen. Ich bin ja der Meinung, dass ich die Nettigkeit in Person bin. Aber was soll’s. Es wird schon werden.
So, und jetzt zu den Dateien und diesem – wie heißt er doch gleich? – ach ja, Damian Stanton. Sicher so ein eingebildeter Yuppie-Schnösel.
»... in fünfzehn Minuten auf dem Barcelona El Prat Airport. Derzeit beträgt die Außentemperatur 34 Grad Celsius, der Himmel ist wolkenlos. Wir danken, dass Sie Austrian Airlines gewählt haben, und würden uns freuen, Sie demnächst wieder als Gast auf einem unserer Flüge begrüßen zu dürfen.«
WAS? Wir sind schon da? Hab ich jetzt echt den gesamten Flug verschlafen? Und das Essen gleich noch dazu? Das darf jetzt nicht wahr sein.
Ist es aber. In meinen Augen wieder einmal ein Grund, um mich gehörig über mich selbst zu ärgern. Offensichtlich hat mich dieser Samstag mehr Kraft gekostet, als ich geglaubt habe. Ist ja nicht zu fassen. Oder war es der Sekt von vorhin? Egal.
Mein iPad, welches vermutlich die ganze Zeit über auf meinem Schoß gelegen hat, verstaue ich und schaue kurz nach links. Genau in dem Augenblick schießt die Zeitung nach oben.
Hat mich der Typ jetzt etwa beobachtet? Das ist nicht fair. Weil ich für meinen Teil immer noch nicht weiß, wie Mister Ich-bin-super-wichtig-weil-ein-VIP aussieht. Sicher wie ein Alien. Sonst würde er sich wohl kaum so penetrant versteckt halten. Aber was geht mich das überhaupt an?
Genau! Nichts.
Da wir schon im Landeanflug sind, schaffe ich es nicht mehr aufs Klo. Blöd, weil ich eigentlich ziemlich dringend müsste. Zur Ablenkung ordne ich den Inhalt meiner Riesenhandtasche. Alles drinnen: Laptop, Netzteil plus Ladekabel, iPad, ebenfalls mitsamt passendem Ladekabel und iPhone. Notizblock, Kulis und zirka eintausend andere Sachen.
Wobei? Kann man den ganzen Krimskrams in einer Handtasche mit nur zwei Fächern ordnen? Nein, geht eh nicht. Ergo: Ich krame absolut sinnlos darin herum, es hilft aber, mir die Zeit zu vertreiben und nicht ans WC zu denken! Oh! So ein stilles Örtchen kann einen magisch anziehen, wenn man muss.
Wann landen wir jetzt endlich?
Ups, erst in zwölf Minuten. Bitte, ich muss echt dringend!
Da hilft nur eines: Weiter ablenken. Am besten wäre, ich schließe die Augen und lasse den Sonntag Revue passieren. Das mache ich.
Ich denke sofort
Weitere Kostenlose Bücher