Ich würde dich so gerne kuessen
nur ein Tag im Monat ist, sammelt sich so einiges an, was man sich erzählen kann.
Mama schneidet Käse auf und Papa entkorkt den Rotwein. Für mich gibt’s eine Cola.
»Oder willst du auch etwas von dem Wein?«, fragt mein Vater.
»Nee, ich trinke lieber Bier.«
»Ich will das gar nicht wissen«, seufzt Mama.
»Mein Gott, Nina, sie ist siebzehn!«
»Ich wills trotzdem nicht wissen! So wie du das mit den Jungs nicht wissen willst.«
»Welche Jungs?«, frage ich, um noch ein bisschen zu sticheln.
»Na, dieser Jeff, oder so.«
»Jeffer«, sage ich so unbeeindruckt wie möglich.
»Jeffer?«, fragt Papa. »Jeffer! Was ist das überhaupt für ein Name?«
»Weiß ich auch nicht. Vielleicht ein Künstlername.«
»Künstler? Was macht er denn für Kunst?«
»Ach, gar keine.«
»Wozu braucht er dann einen Künstlernamen?«
»Ich sagte vielleicht Künstlername. Vielleicht auch nicht.« Jetzt wünsche ich schon, gar nicht damit angefangen zu haben.
»Verstehst du das, Nina?«
»Nein. Aber romantisch ist das schon.«
»Was?«, fragen Papa und ich gleichzeitig und werfen uns fragende Blicke zu.
»Na, das Leben!«, ruft Mama aus, so als ob wir schwer von Begriff wären.
»Natürlich! Was sonst?!« Papa verdreht die Augen.
»Hey, hört auf zu zanken! Ist doch Familientag.«
Wir knabbern Käse, wir nippen an unseren Getränken. Mama hat die Augen geschlossen und streckt ihr Gesicht zur Sonne. Papa sieht zwei Jungs mit Skateboards zu, wie sie versuchen, aus dem Stand auf eine Mauer hinaufzukommen.
»Frieda, wir fahren weg. Am Freitag«, sagt Mama und hält sich die Hand an die Stirn, um den Blick vor der Sonne zu schützen.
»Wohin?«
»Malediven.«
»Nicht wahr!« Wow, manchmal sind sie ja für eine Überraschung gut!
»Doch. Ich habe schon immer davon geträumt. Dieses Paradies mit weißem Sand und Palmen und Allroundservice. Genial! Wir können uns das nur einmal im Leben leisten.«
Das stimmt wohl, bisher sind wir nicht weit rausgekommen. Polen, Holland, einmal Italien, dann eben Mallorca und immer wieder Hiddensee.
»Wie lange?«, frage ich.
»Drei Wochen.«
»Und die Schule?«
»Du kommst nicht mit.«
»Wie?« Ich sehe von einem zum anderen, denn das kann ja wohl nicht ihr Ernst sein.
»Das werden unsere Flitterwochen«, sagt Papa ganz stolz.
»Hattet ihr denn keine gehabt?«
»Doch. Im Spreewald«, lacht Mama.
»Oh.«
»Ja, oh. Und deshalb jetzt noch einmal richtig.«
Papa grinst. Wahrscheinlich war das seine Idee gewesen. Er liebt es, Mama mit solchen Dingen eine Freude zu machen.
»Und du, Fräulein, machst hier nicht einen auf dicke Hose in unserer Abwesenheit«, sagt er.
»Dicke Hose?« Ich sehe ihn irritiert an.
»Sagt man das nicht so bei euch?«
»Ich weiß nicht. Sagt man das so?« Ich lächle amüsiert.
»Wie auch immer. Wir verlassen uns auf dich.«
»Wow. Toll … ich meine, na klar könnt ihr euch auf mich verlassen. Und trotzdem … natürlich freue ich mich, das ist ja wohl klar!«
»Ja. Klar. Wir haben Maja schon gesagt, dass sie ein Auge auf dich werfen soll.«
»Na, da habt ihr euch ja die Richtige ausgesucht!«
Meine Eltern haben keine Ahnung, wirklich! Eltern können einem manchmal ganz schön leidtun dafür, dass sie überhaupt keinen Durchblick haben. Aber von mir aus soll Maja ein Auge auf mich werfen. Das wird großartig. Drei Wochen sturmfrei!
»Bist du traurig?«, fragt Mama.
»Wieso traurig?«
»Weil du nicht mitkannst auf die Malediven.«
»Ach was. Na ja, ein bisschen vielleicht …«, lüge ich.
Natürlich bin ich gar nicht traurig, ich will nur nicht den Eindruck erwecken, dass ich fast platze vor Aufregung und Plänen. Ich muss Maja anrufen! Sofort!
»Ich muss mal aufs Klo«, sage ich und verschwinde in Richtung Eisdiele. Ich wähle Majas Nummer.
»Was geht?«
»Hey Maja! Warum hast du mir nicht erzählt, dass meine Eltern auf Reisen gehen?«
»Überraschung!«
»Mann, das ist so was von cool, ich halt’s nicht aus«, brülle ich in den Hörer und würde am liebsten in die Luft springen, lasse es aber, weil die Leute schon gucken.
»Drei Wochen Party!«, ruft Maja, nicht weniger aufgeregt.
»Übertreib nicht!«
»Zwei?«
»Zwei!«
»Nächstes Wochenende ist ein Hammerkonzert, da musst du mit!«
»Südstaatenrock?«
»Klaro.«
»Bin ich dabei.« Natürlich. Jetzt wird alles mitgenommen. Jede Party, jedes Konzert, jeder Tanz! Mein Gott, ich kann es immer noch nicht glauben; meine kontrollsüchtigen Eltern lassen mich drei Wochen
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