Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
später stand er vor ihrem Haus auf der Fountain Avenue. Er schaute nach oben. Vierter Stock. 502.
Der Knotenpunkt.
»Sie wollen nicht drüber reden?«
Laney blickte von seiner leeren Tasse auf und schaute Blackwell, der ihm gegenübersaß, in die Augen.
»Ich hab das eigentlich noch niemandem erzählt«, sagte er, und das stimmte.
»Gehen wir ein Stück«, sagte Blackwell und stand auf. Sein massiger Rumpf schien sich mühelos vom Sitz zu heben, als wäre er ein heliumgefüllter Festwagen. Laney überlegte, wie spät es sein mochte, hier oder in L. A. Yamasaki erledigte die Rechnung.
Er trat zusammen mit ihnen aus Amos’n’Andes in einen herabsinkenden Nebel hinaus, der nicht ganz Regen war. Der Bürgersteig war ein Strom auf und ab tanzender, schwarzer Regenschirme. Yamasaki brachte einen schwarzen Gegenstand zum Vorschein, nicht größer, aber ein wenig dicker als eine Visitenkarte, und bog ihn kräftig zwischen den Daumen. Ein schwarzer Regenschirm erblühte. Yamasaki gab ihn ihm. Die Krümmung des schwarzen Griffs fühlte sich trocken, hohl und ein wenig warm an.
»Wie klappt man den wieder zusammen?«
»Gar nicht«, sagte Yamasaki. »Er löst sich auf.« Er spannte sich ebenfalls einen auf. Der haarlose Blackwell in seinem Mikropor war offenbar immun gegen Regen. »Bitte fahren Sie mit Ihrem Bericht fort, Mr Laney.«
Durch eine Lücke zwischen zwei fernen Türmen erblickte Laney die Fassade eines weiteren, noch höheren Gebäudes. Darauf sah er riesige, undeutlich vertraute Gesichter, die auf unerklärliche, dramatische Weise verzerrt waren.
Die Vereinbarung über die Wahrung von Betriebsgeheimnissen, die Laney unterschrieben hatte, war zur Geheimhaltung jener Fälle gedacht gewesen, in denen Slitscan seine Verbindungen mit DatAmerica auf eine Weise nutzte, die man als Gesetzesverstoß auslegen konnte. Solche Fälle kamen nach Laneys Erfahrung häufig bis ständig vor, zumindest bei Recherchen von einem gewissen anspruchsvollen Niveau. Da DatAmerica Laneys ehemaliger Arbeitgeber war, hatte er das alles nicht sonderlich alarmierend gefunden. DatAmerica war weniger eine Macht als vielmehr ein Gebiet; in vieler Hinsicht war es sein eigenes Gesetz.
Bei Laneys ausgedehnter Überwachung von Alison Shires war es bereits zu einer ganzen Reihe von Gesetzesverstößen gekommen; einer davon hatte ihm die Codes geliefert, mit denen man die Tür zur Eingangshalle des Gebäudes öffnen, den Fahrstuhl in Gang setzen, die Tür ihres Apartments im vierten Stock entriegeln und den privaten Sicherheitsalarm deaktivieren konnte, der automatisch ein bewaffnetes Team des Wachdienstes auf den Plan rufen würde, wenn sie all das tat, ohne zwei zusätzliche Zahlen einzugeben. Letzteres war als Schutz vor endemischen Überfall-Einbrüchen gedacht, einem Verbrechen, bei dem die Bewohner in Parkhäusern angequatscht und genötigt wurden, ihre Codes herauszurücken. Alison Shires’ Code bestand aus dem Tag, dem Monat und dem Jahr ihrer Geburt, wovon einem jeder Sicherheitsdienst dringend abriet. Ihr Backup-Code war 23, ihr Alter im vergangenen Jahr, als sie eingezogen und Kundin des Wachdienstes geworden war.
Laney sagte diese Zahlen leise vor sich hin, als er vor ihrem Haus stand, dessen achtstöckige Fassade in etwa dem entsprach, was jemand sich unter einem Tudor-Revival vorstellen mochte. In diesen ersten Minuten einer
Morgendämmerung in L. A. war alles so deutlich und in allen Einzelheiten zu sehen.
23.
»Also sind Sie einfach reingegangen«, vermutete Blackwell. »Haben ihre Codes eingetippt und peng, da waren Sie.« Sie standen alle drei an einer Kreuzung und warteten darauf, die Straße überqueren zu können.
– Peng.
Kein Laut in der verspiegelten Eingangshalle. Ein Gefühl der Leere. Ein Dutzend Laneys in den Spiegeln, als er eine weite, mit neuem Teppichboden ausgelegte Fläche überquerte. Und in einen Fahrstuhl stieg, in dem es nach etwas Blumigem roch und wo er wieder einen Teil des Codes benutzte. Der Fahrstuhl brachte ihn schnurstracks in den vierten Stock. Die Tür glitt auf. Noch mehr neuer Teppichboden. Unter einer frischen Schicht cremefarbener Emaille zeigten die Flurwände die leichten Unregelmäßigkeiten von altmodischem Putz.
502.
»Was machst du hier eigentlich?«, fragte Laney laut, obwohl er nicht wusste und auch nie wissen würde, ob er sich selbst oder Alison Shires meinte.
Das Messingrund eines antiken Sicherheitsfischauges beobachtete ihn von der Tür aus, zum Teil
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