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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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diese Knotenpunkte zu erklären, so daß ihn allmählich das Gefühl beschlich, daß er als eine Art einheimischer Führer fungierte. Worauf sich das Interesse der Franzosen auch richtete, er war dazu da, es für sie aufzutreiben. Und es schlug Gainesville um Längen. Bis TIDAL, was immer es war, eingestellt wurde, und es für Laney bei DatAmerica offenbar nichts mehr zu tun gab. Die Franzosen waren weg, und als Laney mit anderen Forschern darüber zu sprechen versuchte, was sie machten, sahen sie ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    Als er zu dem Vorstellungsgespräch bei Slitscan gegangen war, hatte Kathy Torrance dieses Gespräch mit ihm geführt. Er hatte nicht wissen können, daß sie Abteilungsleiterin war oder daß sie bald seine Vorgesetzte sein würde. Er sagte ihr die Wahrheit über sich. Jedenfalls weitgehend.
    Sie war die blasseste Frau, die Laney je gesehen hatte. Blaß bis zur Durchsichtigkeit. (Später erfuhr er, daß es viel mit Kosmetik zu tun hatte, insbesondere mit einer britischen Produktpalette, die sich spezieller, das Licht beugender Eigenschaften rühmte.)
    »Tragen Sie immer malaysische Imitationen blauer Buttondown-Oxfordhemden von Brooks Brothers, -34—
    Mr. Laney?«
    Laney hatte auf sein Hemd hinuntergeschaut oder es zumindest versucht. »Malaysisch?«
    »Die Stichlänge stimmt haargenau, aber das mit der Fadenspannung haben sie noch nicht raus.«
    »Oh.«
    »Schon gut. Ein bißchen prototypischer SpießerSchick könnte bei uns hier doch für eine gewisse Reibung sorgen. Die Krawatte könnten Sie aber weglassen. Ja, unbedingt. Und stecken Sie sich einen Packen Filzstifte in die Tasche.
    Unzerkaut, bitte. Dazu einen von diesen dicken, flachen Markern in so einem richtig ekligen fluoreszierenden Farbton.«
    »Machen Sie Witze?«
    »Wahrscheinlich, Mr. Laney. Darf ich Sie Colin nennen?«
    »Ja.«
    Sie hatte ihn nie ›Colin‹ genannt, weder damals noch später.
    »Sie werden merken, daß Humor bei Slitscan sehr wichtig ist, Laney. Ein unentbehrliches Hilfsmittel zum Überleben. Und Sie werden feststellen, daß hier am besten zurechtkommt, wer ziemlich indirekt ist.«
    »Wie meinen Sie das, Miss Torrance?«
    »Kathy. Ich meine, daß man ihn kaum wirkungsvoll in einem Memo zitieren kann. Oder vor Gericht.«
     
    Yamasaki war ein guter Zuhörer. Er zwinkerte, schluckte, nickte oder fummelte am Kragenknopf seines buntkarierten Hemds herum, was auch immer, und vermittelte mit all dem irgendwie, daß er begriff, worauf Laney hinauswollte.
    Keith Alan Blackwell war da ganz anders. Er saß so unbeweglich da wie ein Klumpen Rindfleisch, ohne sich auch nur einmal zu rühren, außer wenn er die linke Hand hob und an dem verstümmelten Ohrläppchen herumdrückte und drehte, -35—
    dem einzigen Überrest seines linken Ohrs. Er tat das, ohne zu zögern oder in Verlegenheit zu geraten, und Laney gewann den Eindruck, daß es ihm eine gewisse Erleichterung verschaffte.
    Das Narbengewebe rötete sich ein wenig unter Blackwells fürsorglichen Fingern.
    Laney saß auf einer Polsterbank, mit dem Rücken an der Wand. Yamasaki und Blackwell saßen ihm an dem schmalen Tisch gegenüber. Hinter ihnen schwebten die holografischen Züge des Namensgebers der Kette über den einheitlich schwarzhaarigen Köpfen nächtlicher Roppongi-Kaffeetrinker vor einem knalligen Sonnenuntergangspanorama schneebedeckter Andengipfel. Die Lippen des Comic-Amos sahen aus wie aufgeblasene rote Gummiwürstchen, eine Rassenparodie, mit der sich der Laden im gesamten L.A.-
    Becken einen Brandbombenanschlag eingehandelt hätte. Er hielt eine dampfende weiße Kaffeetasse, die auf elegante Weise ikonisch wirkte, in einer großen, weiß behandschuhten, vierfingrigen Ur-Disney-Hand.
    Yamasaki hüstelte dezent. »Sie erzählen uns über Ihre Erfahrungen bei Slitscan, bitte?«
     
    Kathy Torrance gab Laney zunächst Gelegenheit zum Netzsurfen im Slitscan-Stil.
    Sie holte sich zwei Computer aus dem Käfig, scheuchte vier Angestellte aus einer SBU, bat Laney herein und machte die Tür zu. Stühle, ein runder Tisch, eine große Pinnwand an der Wand. Er sah zu, wie sie die Computer in Dataports einsteckte und identische Bilder von einem langhaarigen, schmutzigblonden Burschen Mitte zwanzig aufrief. Spitzbart und goldener Ohrring. Das Gesicht sagte Laney nichts. Es hätte ein Gesicht sein können, an dem er vor einer Stunde auf der Straße vorbeigelaufen war, das Gesicht einer Randfigur in einer nachmittäglichen Seifenoper oder

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