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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Grunde ja«, sagte Laney. »Ihr eigenes Anwaltsteam stand schon in den Startlöchern, um das zu erledigen, und ein weiteres Team sollte sich mit der Geheimhaltungsvereinbarung befassen, die ich bei Slitscan unterschrieben hatte.«
    »Und das zweite Team hatte den schwierigeren Job«, sagte Blackwell und schob sein leeres Glas dem Barmann hin, der es elegant verschwinden ließ und genauso elegant ein neues wie aus dem Nichts hervorzauberte.
    »Das stimmt«, sagte Laney. Tatsächlich hatte er keine Ahnung gehabt, was auf ihn zukommen würde, als er Rice Daniels’ Angebot in den Grundzügen akzeptierte. Aber etwas -84—
    in ihm hatte nicht zusehen wollen, wie Slitscan dem Knall dieses einen Schusses in Alison Shires’ Küche entkam. (Der, wie die Cops betont hatten, von einem in Rußland hergestellten Apparat erzeugt worden war, der aus nicht viel mehr als einer Patrone, einem Rohr, in dem sie steckte, und dem denkbar simpelsten Schießmechanismus bestand. Diese Dinger waren nahezu ausschließlich für Selbstmörder gedacht; es war unmöglich, mit ihnen auf etwas zu zielen, was mehr als fünf Zentimeter entfernt war. Laney hatte von ihnen gehört, aber noch nie eins gesehen; aus irgendeinem Grund wurden sie Wednesday Night Specials genannt.)
    Und Slitscan würde davonkommen, das wußte er; sie würden die Sequenz über Alisons Schauspieler fallenlassen, wenn sie den Eindruck hatten, daß es unumgänglich war, und die ganze Sache würde auf den Meeresboden hinabsinken und fast sofort von dem sich stetig ablagernden Datenschlick der Welt begraben werden.
    Und Alison Shires’ Leben, das er in all seiner schrecklichen, banalen Intimität kennengelernt hatte, würde dort bis in alle Ewigkeit liegen, vergessen und schließlich unkenntlich.
    Doch wenn er bei Außer Kontrolle mitmachte, würde ihr Leben rückwirkend vielleicht zu etwas anderem werden, aber zu was, davon hatte er keine rechte Vorstellung, als er dort auf dem harten, kleinen Stuhl im Besucherraum saß.
    Er dachte an Korallen, an die Riffe, die um gesunkene Flugzeugträger herum wuchsen; vielleicht würde sie zu so etwas werden, zu dem begrabenen Geheimnis unter einem sich entfaltenden Überbau aus Spekulationen oder sogar Mythen.
    Im Besucherraum schien es ihm, als wäre das vielleicht eine nicht ganz so tote Art, tot zu sein. Und das wünschte er ihr.
    »Holen Sie mich hier raus«, sagte er zu Daniels, der unter seiner Wundklammer lächelte und die Karte triumphierend vom Kunststoff wegnahm.
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    »Immer mit der Ruhe«, sagte Blackwell und legte Laney seine riesige Hand mit dem silbrig-pinkfarbenen Narbengitterwerk aufs Handgelenk. »Sie haben ja noch nicht mal Ihren Whiskey getrunken.«
     
    Laney hatte Rydell kennengelernt, als das Außer-Kontrolle-Team ihn in einer Suite im Chateau unterbrachte, jenem alten Abklatsch eines noch älteren Originals, dessen kuriose Beton-Exzentrizitäten zwischen der zwiefachen Brutalität eines besonders häßlichen Paars von Bürogebäuden aus dem letzten Jahr des vorigen Jahrhunderts eingeklemmt waren. Sie spiegelten die ganze nervöse Jahrtausend-Angst des Jahres ihrer Entstehung wider und brachen sie gleichzeitig durch eine andere, geheimnisvollere, merkwürdig gedämpfte Hysterie, die irgendwie persönlicher und noch unattraktiver wirkte.
    Laneys Suite, die viel größer war als seine Wohnung in Santa Monica, glich einem langgestreckten Apartment aus den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts und zog sich hinter dem langen, schmalen Balkon entlang, der auf den Sunset Boulevard hinausging und überdies Ausblick auf einen breiteren Balkon im Stockwerk darunter sowie auf den winzigen, kreisrunden Rasen bot, den letzten Überrest der ursprünglichen Gartenanlagen.
    Laney fand, daß es in Anbetracht seiner Situation eine merkwürdige Wahl war. Er hätte angenommen, daß sie etwas Anonym-Geschäftlicheres, stärker Befestigtes und elektronisch aufwendiger Gesichertes aussuchen würden, aber Rice Daniels hatte erklärt, das Chateau habe durchaus seine Vorzüge.
    Imagemäßig sei es eine gute Wahl, weil es Laney menschlicher wirken lasse; es sehe im Grunde wie eine Behausung aus, etwas mit Wänden und Türen und Fenstern, und man könne sich vorstellen, daß ein Gast darin etwas führen könne, was einem Leben ähnele – was bei den abgezirkelten Kästen der seriösen Business-Hotels ganz und gar nicht der Fall sei. Auch -86—
    wecke es tiefverwurzelte Assoziationen mit dem Starsystem von Hollywood und mit

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