Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
menschlichen Tragödien. In der Blütezeit des alten Hollywood hätten hier Stars gewohnt, und bestimmte Stars seien hier später gestorben. Außer Kontrolle plane, Alison Shires’ Tod als Tragödie in einer altehrwürdigen Hollywood-Tradition darzustellen, aber als eine Tragödie, die von Slitscan, einem sehr modernen Gebilde, herbeigeführt worden sei. Außerdem, erklärte Daniels, sei das Chateau viel sicherer, als es auf den ersten Blick scheinen möge. Und an dieser Stelle war Laney mit Berry Rydell bekanntgemacht worden, dem Wachmann vom Nachtdienst.
    Laney hatte den Eindruck, daß Daniels und Rydell sich schon aus der Zeit vor Rydells Job im Chateau kannten, obwohl unklar blieb, woher genau. Merkwürdigerweise schien sich Rydell in der Funktionsweise der Infotainment-Industrie gut auszukennen, und als sie zufällig einmal miteinander allein gewesen waren, hatte er Laney gefragt, wer ihn vertrete.
    »Wie meinen Sie das?« hatte Laney gefragt.
    »Sie haben doch einen Agenten, oder nicht?«
    Laney sagte, er habe keinen.
    »Dann besorgen Sie sich lieber einen«, hatte Rydell ihm geraten. »Nicht, daß dann alles unbedingt so laufen würde, wie Sie’s gern hätten, aber schließlich sind wir hier im Showbusineß, stimmt’s?«
    Es war in der Tat Showbusineß, und zwar in einem Ausmaß, das für Laney sehr bald die Frage aufwarf, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sechzehn Leute waren zu einem vierstündigen Meeting in seine Suite gekommen, und dabei war er erst seit sechs Stunden draußen. Als sie endlich gegangen waren, war Laney durch die ganze Suite getaumelt und hatte auf der Suche nach dem Schlafzimmer versehentlich diverse Schranktüren ausprobiert. Als er es gefunden hatte, war er ins Bett gekrochen und in den Klamotten eingeschlafen, die -87—
    ihm Rydell auf ihre Anweisung hin im Beverly Center besorgt hatte.
     
    Und genau das gleiche, dachte er, könnte er auch gleich hier und jetzt tun, in dieser Bar auf der Golden Street, und beantwortete sich damit die Frage, wie sich der Bourbon auf seinen Jetlag auswirkte. Doch als er jetzt den letzten Schluck hinunterkippte, spürte er, wie eine jener Gezeitenwenden einsetzte, was vielleicht weniger mit dem Drink zu tun hatte als mit einer körpereigenen Chemie der Müdigkeit und Fremdheit.
    »War Rydell glücklich?« erkundigte sich Yamasaki.
    Das war eine seltsame Frage, fand Laney, aber dann fiel ihm wieder ein, daß Rydell einen Japaner erwähnt hatte, jemanden, den er von San Francisco her kannte, und das war natürlich Yamasaki gewesen.
    »Na ja«, sagte Laney, »er kam mir nicht grade total unglücklich vor, aber irgendwie schien er mir doch ein bißchen down zu sein. Könnte man so sagen. Na ja, eigentlich kenn ich ihn gar nicht.«
    »Das ist sehr schade«, sagte Yamasaki. »Rydell ist ein tapferer Mann.«
    »Wie steht’s mit Ihnen, Laney«, sagte Blackwell, »halten Sie sich auch für einen tapferen Mann?« Die wurmartige Narbe, die seine Augenbraue teilte, wand sich zu einem neuen Grad von Konzentration.
    »Nein«, sagte Laney.
    »Aber Sie haben sich gegen Slitscan gestellt, weil die das mit dem Mädchen getan hatten. Sie hatten einen Job, sie hatten zu essen, sie hatten einen Platz zum Schlafen. Das haben Sie alles von Slitscan gekriegt, aber die haben das Mädchen fertiggemacht, und da haben Sie sich dafür entschieden, Ihrerseits Slitscan fertigzumachen. Ist das richtig?«
    -88-
    »So einfach ist das alles nicht«, sagte Laney.
    Als Blackwell sprach, bemerkte Laney plötzlich eine andere Art von Intelligenz, etwas, was der Mann sonst eher verbarg.
    »Nein«, sagte Blackwell beinahe sanft, »das ist es wahrhaftig nicht.« Eine große Hand mit einem pinkfarbenen Zickzackmuster darauf begann wie ein ungeschicktes, eigenständiges Tier in der straff gespannten Brusttasche von Blackwells Mikropor zu graben, brachte einen kleinen, grauen, metallischen Gegenstand zum Vorschein und legte ihn auf den Tresen.
    »Also, das ist ein Nagel«, sagte Blackwell. »Verzinkt, anderthalb Zoll. Für Dachpappe. Mit solchen Nägeln hab ich die Hände von Männern auf solche Tresen genagelt. Einige von denen waren echte Dreckskerle.« In Blackwells Stimme lag keine Spur einer Drohung. »Und manche, denen man eine Hand festnagelt, haben auf einmal ein Rasiermesser oder eine Spitzzange in der andern.« Blackwell fuhr sich mit dem Zeigefinger geistesabwesend über eine böse aussehende Narbe unter seinem linken Auge, als wäre dort etwas eingedrungen und vom

Weitere Kostenlose Bücher