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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Anfangszeit wohl ausgesehen hatte, als die Bürgersteige drunten zwei Meter tief unter Glasscherben begraben gewesen waren.
    Die Leute auf den Sofas, die sich jetzt über die niedrigen Tische beugten, auf denen ihre Drinks standen, schienen sich von allen anderen Menschenansammlungen zu unterscheiden, die er in Tokio bisher gesehen hatte. Ihnen haftete etwas eindeutig Tranceartiges an, und längerer Blickkontakt wäre in einigen Fällen vielleicht interessant, in anderen aber wohl gefährlich gewesen. Er hatte den deutlichen Eindruck, daß sich die Gesamtmasse des menschlichen Nervengewebes in dem Raum bei näherer Untersuchung als mit dem einen oder anderen Färbemittel belastet erwiesen hätte. Oder war das vielleicht eine spezielle Auswahl von Leuten mit einer bestimmten Kombination von starrer Miene und stechendem Blick?
    »Laney«, sagte Blackwell, ließ eine Hand auf Laneys Schulter sinken und drehte ihn in den Blick zweier länglicher grüner Augen, »das ist Rez. Rez, Colin Laney. Er arbeitet mit Arleigh zusammen.«
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    »Willkommen im Western World«, lächelnd, und dann glitten die Augen an ihm vorbei zu Arleigh. »’n Abend, Miz McCrae.«
    In diesem Moment bemerkte Laney etwas, was er von seinen Begegnungen mit Promis bei Slitscan kannte: dieses binäre Geflacker im Kopf zwischen Abbild und Realität, zwischen dem vermittelten Gesicht und dem Gesicht vor einem. Er hatte bemerkt, wie sich dieses Hin und Her immer mehr zu beschleunigen schien, bis die beiden irgendwie verschmolzen und die daraus resultierende Mischung das neue Bild von der Person wurde. (Jemand bei Slitscan hatte ihm mal erklärt, es sei klinisch erwiesen, daß ein bestimmter Bereich im Gehirn für die Prominentenerkennung zuständig sei, aber er war sich nicht sicher gewesen, ob das ein Witz gewesen war oder nicht.) Dabei hatte es sich um zahme Prominente gehandelt, um diejenigen, die Kathy schon in der Mache gehabt hatte. Sie waren im Haus (aber niemals im Käfig) gewesen, um – aufgrund welcher bereits bestehenden Vereinbarungen auch immer – bestimmte Aspekte ihres öffentlichen Lebens in Skriptform fassen zu lassen. Aber Rez war nicht zahm, und er war auf seine Weise ein ganz anderes Kaliber, obwohl Laney über seine spätere Karriere nur im Bilde gewesen war, weil Kathy ihn so gehaßt hatte.
    Rez hatte jetzt einen Arm um Arleigh gelegt, zeigte mit dem anderen in das relative Dunkel hinter dem Sherman-Panzer und sagte etwas, was Laney nicht hören konnte.
    »Mr. Laney, guten Abend.« Es war Yamasaki, in einem grünkarierten Sakko, das irgendwie komisch auf seinen schmalen Schultern saß. Er zwinkerte heftig.
    »Yamasaki.«
    »Sie haben Rez kennengelernt, ja? Gut, sehr gut. Ein Tisch ist gedeckt, für das Essen.« Yamasaki steckte zwei Finger in den übergroßen, geknöpften Kragen seines billig wirkenden weißen -196—
    Frackhemds und zog, als wäre er viel zu eng. »Ich habe gehört, erste Versuche zur Identifikation von Knotenpunkten waren nicht von Erfolg gekrönt.« Er schluckte.
    »Ich kann nichts Persönliches in etwas orten, was wie der Datenbestand eines Unternehmens strukturiert ist. Er ist einfach nicht da.«
    Rez bewegte sich in Richtung dessen, was jenseits des Panzers sein mochte.
    »Kommen Sie«, sagte Yamasaki und senkte dann die Stimme. »Etwas Außergewöhnliches. Sie ist hier. Sie ißt heute mit Rez zu Abend. Rei Toei.«
    Die Idoru.

24 Hotel Di
    U nd nun hockte sie mit Masahiko und Gomi Boy in diesem winzigen Taxi, Masahiko vorn, auf dem Platz, wo eigentlich der Fahrer hätte sitzen sollen, Gomi Boy neben ihr auf dem Rücksitz. Gomi Boys Arbeitshose hatte so viele Taschen mit so vielen Dingen darin, daß es ihm schwerfiel, eine halbwegs bequeme Position zu finden. Chia hatte noch nie in einem so kleinen Wagen gesessen, erst recht nicht in einem so kleinen Taxi. Masahiko hatte die Knie fast bis an die Brust hochgezogen. Der Fahrer trug weiße Baumwollhandschuhe und eine Mütze, wie sie Taxifahrer in Filmen aus den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts trugen. Sämtliche Kopfstützen hatten kleine Bezüge aus gestärkter weißer Spitze, die mit speziellen Klemmen befestigt waren.
    Vermutlich war das Taxi so klein, weil Gomi Boy bar bezahlen würde, und er hatte klar zum Ausdruck gebracht, daß er nicht viel Bargeld hatte.
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    Irgendwie waren sie aus dem Regen in diese verrückte, eindrucksvolle, aber altmodisch wirkende mehrstöckige Schnellstraße hinaufgefahren, deren stählerne Knochen von

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