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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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verlaufen, vielleicht sogar bis zurück zu DatAmerica und den Franzosen, aber als es komplizierter wurde, begann es, ihn zu deprimieren.
    »Ich weiß nicht recht, ob es Ihnen da gefallen wird«, sagte sie.
    »Wieso?«
    »Sie scheinen mir nicht der Typ dafür zu sein.«
    »Warum nicht?«
    »Kann sein, daß ich mich irre. Vielen gefällt es. Ich glaube, wenn Sie’s als sehr ausgeklügelten Scherz auffassen …«
    »Was ist es?«
    »Ein Club. Ein Restaurant. Ein environment. Wenn wir ohne Blackwell kämen, würden sie uns wahrscheinlich gar nicht reinlassen. Oder auch nur zugeben, daß es da ist.«
    Laney erinnerte sich an das Japanische Restaurant in Brentwood, in das ihn Kathy Torrance mitgenommen hatte.
    Nicht Japanisch, was Besitzer und Personal anging. Sein Thema war ein imaginäres osteuropäisches Land. Es war mit Volkskunst aus diesem Land dekoriert, und jeder, der dort arbeitete, trug die landestypische Kluft oder jedenfalls eine Art metallisch grauer Gefängniskleidung und klobige schwarze Schuhe. Die dort beschäftigten Männer hatten alle ausrasierte Schläfen, die Frauen dicke doppelte Zöpfe, aufgerollt wie Käseräder. Laneys Vorspeise hatte aus allerlei kleinen -190—
    Würstchen – den kleinsten, die er je gesehen hatte – mit einer Art eingelegtem Weißkohl dazu bestanden, und es hatte nicht so geschmeckt, als käme es aus einem bestimmten Land, aber vielleicht war das ja gerade der Sinn der Sache gewesen. Und dann waren sie in ihre Wohnung zurückgekehrt, die wie eine Luxusversion des Käfigs bei Slitscan eingerichtet war. Und das hatte auch nicht hingehauen, und manchmal fragte er sich, ob das ihre Wut noch gesteigert hatte, als er zu Außer Kontrolle übergelaufen war.
    »Laney?«
    »’tschuldigung … Und Rez mag diesen Laden?«
    Zwischen Wäldern schwarzer Regenschirme hindurch, die darauf warteten, eine Kreuzung überqueren zu können.
    »Ich glaube, er grübelt da einfach gern vor sich hin«, sagte sie. Das Western World nahm die beiden obersten Stockwerke eines Bürogebäudes ein, das bei dem Erdbeben nicht ganz unbeschädigt geblieben war. Yamasaki hätte vielleicht gesagt, daß es eine Reaktion auf das Trauma und den anschließenden Wiederaufbau darstellte. In den Tagen (manchen zufolge Stunden) unmittelbar nach der Katastrophe war in den ehemaligen Büroräumen einer Firma, die Anteile an Golfclub-Mitgliedschaften vermakelt hatte, eine improvisierte Bar mit Disko entstanden. Das Gebäude war als einsturzgefährdet eingestuft und von Arbeitern des Katastrophenschutzes im Erdgeschoß versiegelt worden, aber man konnte nach wie vor durch die zerstörten Tiefgeschosse hineingelangen. Jeder, der bereit war, elf leicht rissige Betontreppen hinaufzusteigen, stieß auf das Western World, eine bizarr atypische (aber, wie manche sagten, auf geheimnisvolle Weise bedeutsame) Antwort auf die Erschütterung, die damals, vor so kurzer Zeit, achtundsechzigtausend der sechsunddreißig Millionen Einwohner der Region getötet hatte. Ein belgischer Journalist, der sich große Mühe gegeben hatte, die Szene zu beschreiben, hatte gesagt, es ähnele einer Kreuzung zwischen einer -191—
    permanenten Massen-Totenwache, einer unaufhörlichen Schulabschlußfeier von mindestens einem Dutzend Subkulturen, von denen vor der Katastrophe nie jemand gehört hatte, den Schwarzmarkt-Cafés im besetzten Paris und Goyas Vorstellung von einer Tanzparty (vorausgesetzt, Goya wäre Japaner gewesen und hätte Freebase-Methamphetamin geraucht, was zusammen mit Strömen von Alkohol die vom frühen Western World favorisierte Droge gewesen war). Dem Belgier zufolge war es, als ob die Stadt in ihren Krämpfen und ihrem Kummer spontan und zwangsläufig dieses verborgene Taschenuniversum der Seele hervorgebracht habe, dessen wenige unzerbrochene Fenster mit schwarzer, wasserfester Kautschukfarbe übertüncht waren. Von der zerstörten Stadt sollte nichts zu sehen sein. Als drum herum der Wiederaufbau begann, war es bereits ein wichtiger Punkt in Tokios psychischer Geschichte geworden, ein offenes Geheimnis, eine städtische Legende.
    Aber jetzt, erklärte Arleigh, während sie die erste dieser elf Treppen emporstiegen, sei es ganz eindeutig ein kommerzielles Unternehmen. Das beschädigte, ansonsten leerstehende Haus verdanke seine fortdauernde Existenz dem nicht lizensierten Penthouse-Club. Falls er tatsächlich noch immer nicht lizensiert sei; sie habe da ihre Zweifel. »Hier lassen sie die Zügel nicht so schleifen«, sagte sie auf

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