Idoru
jemandem gesprochen. Er ist ins Restaurant zurückgegangen.« Gomi Boy warf einen Blick auf den Einkaufsbeutel. »Ich wollte mit Masahikos Computer nicht in dem Erholungspark bleiben. Ich versprach dem Anführer der Overbombers, ihm später ein besseres Telefon zu geben, wenn er dort bleiben und mich anrufen würde, falls noch etwas geschähe. Da die Overbombers eh nichts zu tun haben, war er einverstanden. Ich bin gegangen. Zwanzig Minuten später hat er angerufen, um einen grauen Honda-Van zu melden. Der Fahrer ist Japaner, aber die andern drei sind Ausländer. Er glaubt, es sind Russen.«
»Warum?«
»Weil sie sehr groß sind und sich auf eine Art kleiden, die er mit dem Kombinat verbindet. Sie sind noch dort.«
»Woher weißt du das?«
»Wenn sie wegfahren, muß er mich anrufen. Er will ja sein neues Telefon haben.«
»Kann ich hier porten? Ich muß sofort mit der Air Magellan sprechen, um meine Reservierung zu ändern. Ich will nach Hause.« Und Maryalices Päckchen in diesen Abfalleimer werfen, den sie hinter Gomi Boy sah.
»Du darfst nicht porten«, sagte Masahiko. »Du darfst die Cashcard nicht benutzen. Wenn du das tust, werden sie dich finden.«
»Aber was soll ich denn sonst machen?« fragte sie, überrascht von ihrer Stimme, die völlig fremd klang. »Ich will einfach nur nach Hause!«
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»Zeig mir die Karte«, sagte Gomi Boy. Sie steckte in ihrem Parka, bei ihrem Paß und ihrem Rückflugticket. Sie nahm sie heraus und gab sie ihm. Er öffnete eine Tasche an seiner Arbeitshose und holte ein kleines, rechteckiges Gerät heraus, das offenbar von vielen Schichten ausgefransten silbernen Klebebands zusammengehalten wurde. Er zog Chias Karte durch einen Schlitz und spähte in einen Sehspalt mit einem Lesegerät wie dem an einem Faxpiepser. »Sie ist nicht übertragbar, und man bekommt kein Bargeld damit. Außerdem ist sie sehr leicht aufzuspüren.«
»Meine Freundin ist ziemlich sicher, daß sie die Nummer sowieso haben«, sagte Chia und dachte an Zona.
Gomi Boy begann, mit der Kante der Cashcard auf den Rand seiner Pocari-Sweat-Dose zu tippen. »Es gibt einen Ort, wo du sie benutzen könntest, ohne aufgespürt zu werden«, sagte er.
Tipp tipp. »Wo Masahiko in die Ummauerte Stadt gehen könnte.« Tipp tipp. »Wo du nach Hause telefonieren könntest.«
»Und wo ist das?«
»In einem Liebeshotel.« Tipp. »Weißt du, was das ist?«
»Nein«, sagte Chia.
Tipp.
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23 Willkommen im
Western World
A ls sie aus dem pinkfarbenen Mosaikschlund des Le Chicle in den einsetzenden Regen hinaustreten, sah Laney, daß der auf Stelzen gehende New-Logic-Jünger immer noch an seinem Platz stand. Wegen der hereinbrechenden Dunkelheit war seine animierte Sandwich-Tafel erleuchtet. Als Blackwell Arleigh die Tür einer Mini-Limousine aufhielt, warf Laney einen Blick zurück auf die über den Schirm laufenden Zahlen und fragte sich, um wieviel das Gesamtgewicht des menschlichen Nervengewebes auf der Erde während ihres Aufenthalts in der Bar zugenommen hatte.
Laney stieg nach ihr ein, und ihm fielen erneut die katalanischen Sonnen auf, drei an der Zahl, die an der Innenseite ihrer Wade abwärts kleiner wurden. Blackwell ließ die Tür hinter ihnen mit einem dumpfen Laut ins Schloß fallen, öffnete dann die Vordertür auf der Seite, wo eigentlich der Fahrer hätte sitzen sollen, und schien sich in den Wagen zu ergießen, eine Bewegung, die an das Fließen einer Quecksilberkugel und zugleich an das Quellen mehrerer hundert Pfund flüssigen Betons erinnerte. Der Wagen schaukelte und schwankte, als die Stoßdämpfer sich auf sein Gewicht einstellten.
Laney sah, daß die Krempe von Blackwells schwarz gewachstem Hut hinten tief herunterhing, aber nicht tief genug, um ein Kreuzmuster feiner roten Striemen zu verbergen, die sein Genick schmückten.
Nach dem Hinterkopf zu urteilen, hätte es derselbe Fahrer sein können, der sie nach Akihabara gebracht hatte. Er fädelte sich in den Verkehr ein, den man im Rückspiegel sah. Es -189—
regnete jetzt in Strömen; der Regen bildete Pfützen, zog gespiegeltes Neonlicht aus der Senkrechten und warf es in krakeligen Linien auf Bürgersteig und Straßenpflaster.
Arleigh McCrae hatte Parfüm aufgelegt, und es weckte in Laney den Wunsch, Blackwell wäre nicht da, sie wären auf dem Weg zu irgendeinem anderen Ort als ihrem jetzigen Ziel, in einer anderen Stadt, und ein Großteil der letzten sieben Monate von Laneys Leben hätte sich gar nicht ereignet oder wäre anders
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