Idoru
all dem eigentlich auf sich?
Und erst, als sie die dritte Brücke überquerte, bemerkte sie, daß er nicht da war.
- He.
Sie hielt an. In einem Schaufenster waren Karnevalsmasken -218—
zu sehen, die echten, alten. Schwarzes Leder mit Penisnase, leere Augenlöcher. Ein Spiegel, über den vergilbtes Crepe drapiert war.
Sie checkte den Sandbenders, um sich zu vergewissern, daß sie ihn nicht abgeschaltet hatte. Nein.
Chia schloß die Augen und zählte bis drei. Zwang sich, den Teppichboden im Hotel Di zu spüren, auf dem sie saß. Öffnete die Augen.
Die schmale venezianische Straße mit dem abschüssigen, stufenförmig angelegten Kopfsteinpflaster öffnete sich am jenseitigen Ende zu einem kleinen Platz oder einer Piazza mit einem Brunnen in der Mitte, neben dem eine unbekannte Gestalt stand.
Chia riß sich die Brille herunter, ohne sich erst noch die Mühe zu machen, Venedig zu schließen.
Masahiko saß ihr im Schneidersitz gegenüber. Die schwarzen Schalen hatten sich auf seinen Augen festgesaugt. Seine Lippen bewegten sich stumm, und die Hände auf seinen Knien zeichneten in den schwarzen Fingersets winzige Muster in die Luft.
Maryalice saß auf dem pelzigen, pinkfarbenen Bett, eine nicht angezündete Zigarette im Mund. Sie hatte eine kleine, eckige, graue Pistole in der Hand, und Chia sah, wie das frisch aufgetragene Rot ihrer Nägel mit dem perlmuttfarbenen Plastik des Griffs kontrastierte.
»Ist wieder losgegangen«, sagte Maryalice mit der Zigarette im Mund. Sie drückte auf den Abzug, woraufhin an der Mündung plötzlich eine kleine goldene Flamme entstand, und zündete sich damit die Zigarette an. »Tokio. Ich sag’s dir.
Immer das gleiche.«
-219-
27 So was richtig
Körperliches
L aney stand an einem Pissoir aus schwarzem Gummi auf dem Männerklo, als er den Russen bemerkte, der sich im Spiegel die Haare kämmte.
Zumindest sah es wie schwarzes Gummi aus, mit irgendwie weichen Rändern. Die sanitären Anlagen funktionierten offenbar wieder, aber er fragte sich, was sie sagen würden, wenn man darum bat, seinen eigenen Beitrag zur Grotte leisten zu dürfen. Auf dem Herweg war ihm die trübe, grüne, durchscheinende Platte eines Tresens aufgefallen, die von unten beleuchtet war, und er hatte gehofft, daß sie nicht aus dem bestand, was sie im Treppenhaus abgesägt hatten.
Das Abendessen war vorüber, und er hatte wahrscheinlich zuviel Sake dazu getrunken. Er, Arleigh und Yamasaki hatten Rez bei seinem Zusammentreffen mit dieser neuen Version der Idoru beobachtet, die Willy Jude als große silberne Thermoskanne gesehen hatte. Und Blackwell würde sich daran gewöhnen müssen, denn Laney vermutete, daß der Bodyguard keinen blassen Schimmer davon gehabt hatte, daß sie dabei sein würde, bevor er hereingekommen war und Rez es ihm gesagt hatte.
Arleigh hatte sich die meiste Zeit mit Lo unterhalten, hauptsächlich über Immobilien. Über seine verschiedenen Besitztümer in aller Welt. Laney hatte sich angehört, wie Yamasaki seine Idee vom Zugriff auf dieses Teenager-Fanclub-Material weitergesponnen hatte, und vielleicht war da ja wirklich was dran, aber sie würden es ausprobieren müssen, um es rauszufinden. Blackwell hatte keine zwei Worte gesagt, hatte Lager statt Sake getrunken und sein Essen in sich -220—hineingeschlungen, als wollte er irgendwas stopfen, eine Sicherheitslücke, die man beseitigen konnte, wenn man sie methodisch mit genug Sashimi füllte. Der Australier war ein As mit den Stäbchen; wahrscheinlich konnte er einem auf fünfzig Schritt Entfernung eins ins Auge werfen. Aber die Hauptattraktion waren Rez und die Idoru gewesen, in einem geringeren Maße auch Kuwayama, der lange Gespräche mit beiden geführt hatte. Den anderen, Osaki, schienen sie für den Fall mitgebracht zu haben, daß jemand die Batterien in der silbernen Thermoskanne auswechseln mußte. Und Willy Jude war durchaus liebenswürdig, aber auf so inhaltslose Weise wie möglich.
Da Techniker angeblich eine leicht zugängliche Quelle für jede Form von Klatsch in einem Unternehmen sind, hatte Laney ein paar Versuche in diese Richtung gestartet, aber Osaki hatte nicht mehr gesagt, als unbedingt sein mußte. Und da Laney Rei Toei nicht direkt ansehen konnte, ohne in den nodalen Modus überzugehen, hatte er sich mit den gerade verfügbaren optischen Eindrücken begnügen müssen, während er den Gesprächen am Tisch zuhörte. Arleigh eignete sich ganz gut dafür. Irgendwas an ihrer Kinnpartie gefiel ihm
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