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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Wohnanlage mit der plattenbauartigen Fassade und den braunen, schmutzigen Betonbalkonen.
    Eine Weile beobachtete Polonius Fischer die immer gleichen Rituale, das aufgeregte Fuchteln der Journalisten und ihr zwischen gestelzter Freundlichkeit und grober Aufdringlichkeit wechselndes Beharren auf Informationen, und etwas abseits Schaulustige, die gegenüber Reportern behaupteten, etwas gesehen zu haben.
    Dann griff Fischer nach der Hand seiner Kollegin und ging mit ihr durch den Flur im vierten Stock.
    Esther Barbarov hatte Liz gleich am ersten Tag in der Mordkommission gesteckt, daß manche Angewohnheiten Fischers nichts zu bedeuten hätten, sie solle ihn einfach gewähren lassen und sich nicht weiter wundern, denn die Grenze zu ihrem persönlichen Raum würde er nie überschreiten. Bevor sie fragen konnte, was Esther mit »persönlichem Raum« meinte, hatte Weningstedt die Gruppe zu einer Besprechung gerufen.
    Vor einer der Wohnungen blieb Fischer stehen.
    »Achte auf die Hände«, sagte er, wie schon im Parterre.
    »Mach ich«, sagte Liz und zog ihre Hand aus seiner; er reagierte nicht darauf.
    Bis jetzt hatten sie fünf Männer und zwei Frauen befragt.
    Bei den übrigen Wohnungen waren die Türen verschlossen geblieben, was bedeutete, die Mieter waren entweder verreist oder unten vor dem Haus oder hatten keine Lust zu öffnen. Letzteres war nach Fischers Einschätzung in mindestens zwei Fällen der Grund für ihr vergebliches Klingeln gewesen; auch Liz hatte sich eingebildet, gedämpfte Schritte und das Klacken einer Klinke gehört zu haben.
    »Darf ich dich schnell was fragen?«
    »Auch mit Bedacht«, sagte Fischer.
    Wie schon öfter, wenn er etwas erwiderte, empfand sie eine Unsicherheit, die nicht, wie sie vermutete, von seinen Worten herrührte, sondern von der Selbstverständlichkeit, mit der er anscheinend alles, was sie sagte und tat, von vornherein wertschätzte und nie abwegig oder unpassend fand. Manchmal kam es ihr vor, als lebe Fischer in einem von ihm selbst geschaffenen Koordinatensystem, das es ihm auf geheimnisvolle Weise ermöglichte, die Welt mit einer besonderen Art von Bescheidenheit zu betrachten. Dabei war er – das hatte sie irritiert zur Kenntnis nehmen müssen – alles andere als ein gutmütiger Menschenversteher, im Gegenteil: Sie hatte Vernehmungsprotokolle von ihm gelesen, in denen er Zeugen beschimpft und wegen ihres Verhaltens fast beleidigt hatte. Zwei Monate in der Mordkommission, dachte sie dann, waren zuwenig, um diesen Mann mitsamt seiner ungewöhnlichen Vergangenheit verstehen zu lernen.
    »Warum hast du mich an der Hand gehalten?« Er drückte auf den Klingelschalter. »Nimm’s nicht allzu persönlich.«
    Diesen Satz von ihm kannte sie aus anderen, dramatischeren Zusammenhängen.
    »Okay«, sagte Liz Sinkel. »Und warum?«
    Er sah sie an. Hinter der Tür waren Schritte zu hören. »Vergiß die Hände nicht!« sagte er. Die Tür wurde geöffnet.
    Ein Mann in einem weißen Hemd und mit nackten Beinen stand vor ihnen. Fischer zeigte seinen Dienstausweis.
    »Hab ich mir gedacht«, sagte der Mann. »Jossi Brug, kommen Sie, ich zieh mir schnell eine Hose an.« Er war barfuß, winkte die beiden herein und verschwand in einem Zimmer.
    Die Wohnung bestand aus zwei Zimmern, einer engen Küche und einem Bad; durch die Fenster drang wenig Licht.
    Im Wohnzimmer stellte Fischer sich vor den laufenden Fernseher und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Ein Kommentator lobte die Kondition einer Tennisspielerin; mit seiner mächtigen Statur verdeckte Fischer das Bild des kleinen Geräts, und Liz hörte das harte Floppen des Filzballs und das angestrengte Stöhnen zweier Frauen.
    »Fast hätten Sie mich nicht mehr erwischt«, sagte der Mann, der jetzt eine graue Hose und staubige Schuhe trug.
    »Es geht um die Leiche.«
    Liz zeigte ihm das Polaroidfoto, das sie schon den sieben anderen Bewohnern vorgelegt hatte.
    »Haben Sie die Frau schon mal gesehen?«
    Er räusperte sich, betrachtete das Foto und schüttelte den Kopf. »Eher nicht.«
    »Also nein«, sagte Liz.
    »Ja.«
    »Wie lang wohnen Sie schon in dem Haus?«
    fragte Fischer.
    »Acht, neun Jahre, aber ich kenn niemand hier.«
    »Haben Sie ein Auto?« fragte Fischer.
    »Brauch ich nicht, ich fahr mit der U-Bahn, ich arbeit in der Partnach-Stuben am Partnachplatz am Harras, da steig ich direkt aus.«
    »Gehört zu Ihrer Wohnung ein Stellplatz in der Tiefgarage?«
    »Nein. Muß man extra anmieten. Stimmt das, daß die Leiche in einem

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