If You Stay – Fuereinander bestimmt
entschuldigen, dass er mich vollgekotzt hat, aber irgendwie überrascht mich das nicht. Pax Tate ist nicht der Typ, der sich für irgendetwas entschuldigt.
Nun ist es an mir, mit den Schultern zu zucken.
»Schon gut. Ich habe mehrere.«
Meine Lockerheit ist allerdings nur gespielt, denn eigentlich bin ich ein Mensch, der alles plant, was natürlich in krassem Gegensatz zu meiner künstlerischen Seite steht. Ich plane mein ganzes Leben. Diese Situation hatte ich jedoch nicht eingeplant. Ich hätte niemals damit gerechnet, in einem Krankenhauszimmer mit einem Fremden zu sitzen.
Meine Gedanken mussten mir wohl ins Gesicht geschrieben stehen, denn Pax scheint zu bemerken, was in mir vorgeht. Offenbar entgeht ihm kaum etwas.
»Du magst Krankenhäuser wohl nicht besonders, was?«, erkundigt er sich erstaunlich behutsam.
Es hat den Anschein, als komme ihm der freundliche Ton in seiner Stimme fremd und vertraut zugleich vor, ganz so, als könne er mit Leichtigkeit unvermittelt von abgestumpft und gleichgültig auf ehrlich und aufrichtig umschalten. Die Vorstellung, ich könnte ihn dazu gebracht haben, etwas zu empfinden, bringt eine Saite tief in meinem Inneren zum Klingen, und ich schüttele den Kopf.
»Nein. Meine Eltern sind vor ein paar Jahren gestorben. Seitdem sehe ich Krankenhäuser mit anderen Augen.«
Nun ist Pax interessiert, und er neigt seinen Kopf erneut zur Seite, mustert mich. Ich kann nicht umhin, seine kräftige Kieferpartie zu bemerken und die Art und Weise, wie er beim Nachdenken die Stirn in Falten legt. Sein gutes Aussehen, in Verbindung mit seinem rebellischen und gefährlichen Gebaren, lassen ihn verdammt sexy erscheinen.
»Sind sie zur gleichen Zeit gestorben?«
Eigenartig, dass er diese Frage stellt, anstatt mich zu bedauern, wie es die Leute normalerweise tun. Aber ich finde seine unverhohlene Neugierde erfrischend, daher nicke ich.
»Ja. Bei einem Autounfall. Es war ein nebliger Morgen, und sie fuhren auf einer schmalen, zweispurigen Küstenstraße. Ein Sattelschlepper ist auf ihre Seite geraten und in sie hineingefahren. Sie sind noch am Unfallort verstorben.«
Ich habe keine Ahnung, warum ich ihm das gerade erzählt habe. Ich spreche nicht gern darüber, aber für gewöhnlich muss ich das auch nicht. Unsere Gemeinde ist nicht groß, und alle, die während dieser Zeit dort gewohnt haben, wissen davon.
»Wenn sie am Unfallort gestorben sind, warum hast du dann so eine Abneigung gegen Krankenhäuser?«, fragt Pax mit nachdenklichem Blick. Er wirkt aufrichtig interessiert.
Ich erinnere mich wieder an jenen Morgen. Ich war im College, denn zu der Zeit studierte ich noch. Ich war müde, weil ich die Nacht zuvor nicht viel geschlafen hatte. Der Dekan war persönlich in den Seminarraum gekommen und hatte mich nach draußen auf den Flur geholt. Sein Gesichtsausdruck wirkte gequält, als er mir unbeholfen mitteilte, dass es einen Unfall gegeben habe.
Ich weiß nichts Genaues,
hatte er gesagt.
Aber Sie sollten gehen.
Und das tat ich. Ich hastete zum Krankenhaus, doch als ich dort eintraf, da wusste ich irgendwie, dass etwas nicht stimmte. Alle wichen meinem Blick aus, die Ärzte und die Krankenschwestern, denen ich auf den Fluren begegnete, und sogar unsere alte Nachbarin Matilda, die es irgendwie geschafft hatte, vor mir da zu sein.
Sie hatte mich wortlos zu einem leeren Raum geführt, der wohl als Kapelle diente, und mir mit ruhiger Stimme erklärt, dass ich meine Eltern dort nicht finden würde, da man sie in die Leichenhalle gebracht hatte. Sie hatte es mir geradeheraus gesagt und mich dann aufgefangen, als ich zusammenbrach. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich den Ledergriff meiner Tasche losließ, sie zu Boden fiel und sich ihr Inhalt auf den blauen Teppichboden ergoss. Mein Lippenstift war bis zu Matildas Füßen gerollt, und sie hatte ihn aufgehoben und ihn mir mit ernstem Gesichtsausdruck gereicht.
Ich schlucke.
Und dann wird mir bewusst, dass ich dies alles gerade laut ausgesprochen habe.
Pax schaut mich mit undurchdringlicher Miene aufmerksam an, während er die Details des schmerzlichsten Tages meines Lebens in sich aufnimmt.
»Tut mir leid«, sagt er leise. »Das muss schrecklich für dich gewesen sein. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.«
Seine Worte sind schlicht, doch in seiner Stimme schwingt sehr viel mehr mit. Er ist ein komplizierter Mensch, so viel steht fest. Schwer zu durchschauen. Doch gerade seine komplizierte und offenbar widersprüchliche Natur
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