Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
Trettachspitze, Mädelegabel, Höfats, Widderstein oder zum neuen Klettersteig an der Kanzelwand – führten ihn seine Touren. Im Winter bretterten er und seine Frau am Fellhorn, Grünten oder Ifen die Pisten hinunter. Beide fuhren vorzüglich Ski und fühlten sich danach wieder richtig wohl.
Paul sah zur Wand hinüber, wo ein paar von den Bergaufnahmen hingen, die schon im alten Büro die Wände geziert hatten, und die üblichen Kalender ersetzten. Wanner hatte das neue Büro nicht für sich allein. Zur besseren Zusammenarbeit der Ermittler hatte man die Zwischenwand herausgebrochen und zwei Räume zusammengelegt und zwei weitere Schreibtische aufgestellt. Eva Lang und Alex Riedle, seine Mitarbeiter, teilten sich nun mit ihm das Zimmer. Auch das hatte Paul Wanner akzeptiert, weil er die Notwendigkeit einsah. Es ist ja auch gleich, dachte er, schließlich habe ich nie geschlafen, wenn ich allein in meinem Büro gesessen habe. Und geraucht werden durfte sowieso im ganzen Gebäude nicht mehr, worüber er sehr froh war.
In einer Ecke des Raumes stand eine Magnettafel, sie ersetzte den jahrelang von Wanner benutzten Flipchart, der den Weg alles Überholten hatte gehen müssen. Daneben steckten in einem Holzkasten eine Menge magnetischer Symbole, mit denen man die Aspekte eines Falles zum besseren Verständnis optisch darstellen konnte.
Wanner gähnte kurz und sah zu Eva Lang hinüber, die sich mit Alex Riedle unterhielt. Sie war etwas über Mitte zwanzig und hatte schulterlanges braunes Haar. Paul Wanner, obwohl glücklich verheiratet, nahm durchaus zur Kenntnis, dass sie nicht nur hübsch, sondern auch klug war und eine bemerkenswerte Auffassungsgabe besaß. Diese ermöglichte es ihr, sich die Fälle in mehreren Varianten vorzustellen und entsprechende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Mancher Kollege, der an sich nur kurz in ihrem Büro zu tun hatte, blieb auffallend lange, wenn Eva anwesend war. Wanner brachte ihn dann erst mit einem »War sonst noch was?« wieder Richtung Tür. Eva Lang liebte Hosenanzüge, die sie geschmackvoll und optisch richtig mit Blusen oder Pullis kombinierte. Kollege Riedle schielte jedes Mal so unauffällig, dass es jeder sehen konnte, in ihre Richtung, wenn Eva ihr Jackett ablegte und ihre Figur dann noch besser zur Geltung kam. Soweit bekannt war, hatte sie keinen festen Freund. Wanner wusste allerdings, dass bei ihr schon einmal eine Beziehung in die Brüche gegangen war. Freundlich, aber bestimmt, wies sie alle Annäherungsversuche, vor allem die innerhalb der Dienststelle, zurück. Mit Paul Wanner verband sie ein herzliches, aber streng dienstliches Verhältnis, von dem auch Lisa wusste, dass es nicht mehr war. Insofern verstanden sich die beiden Frauen gut miteinander.
Wanners Blick ging weiter zu Alex Riedle. Der hatte seit langem offenkundig mit privaten Problemen zu kämpfen, die ihn an manchen Tagen zum Melancholiker werden ließen. Er war der große Schweiger bei Besprechungen, folgte ihnen aber und zog daraus auch richtige Schlüsse. Allerdings musste man ihn ansprechen, wenn man seine Meinung hören wollte. Er war etwas über dreißig, eher dürr als wohlgebaut, so dass sein Sakko manchmal den Eindruck erweckte, als wäre es mindestens eine, eher zwei Nummern zu groß. Da er sparsam war – manche behaupteten sogar geizig –, führten boshafte Kollegen die flatternden Sakkos auf Sonderangebote zurück, denen Riedle nicht habe widerstehen können. Sein hageres Gesicht verzog sich nur selten zu einem Lächeln, laut lachen hatte ihn schon lange niemand mehr gehört. Aber, und das schätzte Wanner an seinem Mitarbeiter besonders, er war treu bei der Sache und erledigte seine Aufgaben ohne Murren, selbst wenn man ihn kurz nach Mitternacht aus dem Bett klingelte.
Bis vor kurzem hatten zwei weitere Kollegen zu Wanners Team gehört. Aber Anton Haug war in Pension gegangen, und Uli Hansen, auf Zeit von Hannover nach Kempten versetzt, war nach einer schweren Verletzung im Dienst wieder in seine niedersächsische Heimat zurückgekehrt.
Wanner musste schmunzeln, wenn er an Uli dachte. Mit der Allgäuer Sprache hatte er ziemliche Probleme gehabt, was sich besonders bei Befragungen bemerkbar gemacht hatte. Da war es schon mal vorgekommen, dass er, Wanner, als Dolmetscher einspringen musste, um sicherzustellen, dass alles richtig rüberkam.
Abgesehen davon, dass Wanner den Verlust seiner Kollegen bedauerte, sah er mit Bedenken das Zusammenschmelzen seines Teams. Bisher hatte er
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