Ihr wisst ja nicht, was Liebe ist
Ohne einen weiteren Zwischenfall erreichen wir unsere nächste Station: den Lago di Como. Ein Bootshafen, ein Parkplatz, ein Kiesstrand und dahinter glitzerndes Blau. Wunderschön!
Mir kleben die Klamotten schon eklig auf der Haut. Hab ja seit Ewigkeiten nicht mehr geduscht.
In null Komma nichts bin ich im Wasser.
Ich leg mich auf den Rücken, strample, tauche, meine nassen Haare treiben wie Seetang neben mir.
âHe, Lenni! Los, Junge, komm! Es ist einfach herrlich!â
âGleich!â
Er winkt mir mit einem Schraubenschlüssel oder Wagenheber oder was auch immer.
Kriecht unter sein Auto und hämmert.
Ich schwimme im unendlich genialen See.
Als ich umkehre, krault Lenni endlich auf mich zu. Taucht wie ein Seelöwe unter mir durch und hinter mir auf. Wirft sich auf den Rücken, prustet eine Fontäne. Wir aalen uns gemeinsam.
âLos, wer zuerst am Ufer ist!â, ruft er.
âIch hab Huuunger!â
Es ist ein tolles Gefühl, frisch gewaschen in ein sauberes Shirt und Leggins zu schlüpfen.
Ich rubble meine feuchten Haare mit einem Handtuch trocken.
Wir hocken auf dem Steg bei den Pappeln am Bootshafen und betrachten den Sonnenuntergang und das Mückenschwarm-Ballett auf dem See.
Lenni hat Wasser heià gemacht und jetzt löffeln wir Kartoffelpüree mit Röstzwiebeln aus Pappbechern und trinken Cola (ich) und Dosenbier (Lenni).
Wir haben den Jippi vollgetankt, als wir über der Grenze in Italien waren.
âDiesel ist in der Schweiz unbezahlbarâ, hat Leander behauptet. âAber hier ist es auch schweineteuer.â
Ich hab bezahlt und auch Getränkedosen und Püreebecher gekauft.
âDas Geld ist von sämtlichen Omas, Opas, Onkel und Tanten. Ich hatte doch Konfirmationâ,
hab ich erzählt.
âEcht?â Lenni hat mich abgeknutscht, total happy.
Jetzt sage ich: âWir suchen morgen eine Werkstatt und lassen die Bremsen reparieren, okay?â
Aber Leander schüttelt sich wie ein nasser Hund.
âViel zu teuer. Mach dir mal keinen Kopf wegen der Bremsen. Ich reparier die schon.â
Er kriecht unters Auto, hämmert und klopft und robbt nach einer Weile wieder hervor.
âAlles im grünen Bereich.â
Der Jippi scheint einverstanden, denn er fängt plötzlich fröhlich zu dudeln an. Na gut, es ist nur Leanders Handy im Auto.
Wir lassen es plinkern, bis es aufhört. Mich sticht natürlich sofort das schlechte Gewissen.
Es pocht und lässt sich nicht so leicht abstellen. Weià der Himmel, wer alles inzwischen auf meine Mailbox gesprochen hat! Längst wissen meine Eltern, dass ich mit Leander unterwegs bin. Ob mein Brief sie beruhigt hat?
So sicher bin ich nicht mehr. Ob sie aus lauter Sorge die Polizei benachrichtigt haben?
Kann die uns orten, auch wenn die Handys ausgeschaltet sind?
Und vor allem, wenn wir einen Unfall bauen?
Ich schlucke.
âLenni, wenn die Bremsen kaputt sind, ist das supergefährlich!â
âAch was! Ich hab mir das angeschaut.
Alles halb so wild.â
Er trinkt die zweite Bierdose leer.
âJa, aber â¦â
âNix aber!â Er zerdrückt den Pappbecher und die Dose.
âHör mal, wir müssen schon ein bisschen sparen, wenn wir in den nächsten fünf Wochen mit unserem Geld auskommen wollen.â
Ich glaube, ich höre nicht recht. âFünf Wochen?
Aber Montag in einer Woche fängt die Schule wieder an!â
âJa und? Ohne mich!â
Ich beiÃe mir auf die Unterlippe. âDas meinst du nicht im Ernst.â
Ich bin tierisch geschockt.
âIch fahr nicht zurück in das doofe Kaffâ,
grummelt Lenni.
Ich schlucke. âHe, und die Kraniche? Ihr habt doch ein Aufstiegsspiel.â
âScheià auf den Verein. Ich mach da nicht mehr mit.â
âAch, das sagst du nur so! Oder hat dich euer Trainer nicht aufgestellt, weil du zu oft beim Training gefehlt hast?â
Ich denke an den Abend vor unserer ersten Nacht, als Leander nach dem Training so miese Laune hatte.
âHat er nicht. Reservebankâ, sagt er.
âHe, Lenni, du bist einfach müde von der höllischen Passfahrt.â Ich schlinge meine Arme um ihn. Besser nichts mehr sagen.
Im See geht die Sonne unter.
17. Mario und Gina
Diesmal bleibt es nachts richtig warm.
Kein Eis mehr auf den Nasenspitzen.
Dafür parken immer wieder Autos dicht neben uns, lassen furchtbare Alte-Leute-Musik
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