Ihr wisst ja nicht, was Liebe ist
âWir machen noch Pause, erst muss ich rausfinden, ob wir besser über St. Gallen fahren oder über Frauenfeld.â
âIst doch egalâ, meine ich. âHauptsache, wir kommen irgendwie nach Italien, hier siehtâs nach Regen aus.â Der Himmel ist grau.
Das macht mir nichts. Ich bin überglücklich!
Bloà mein Magen knurrt. Und Durst hab ich auch.
Ich fummle also die Wasserflasche heraus und trinke. Wie eine kalte Schlange rinnt es mir den Hals entlang. Igitt, schöner heiÃer Cappuccino oder Kakao mit Sahne, das wärâs.
Aber so schmeckt halt die Freiheit!
Eiskalt und prickelnd schmeckt sie.
âDu auch?â Ich halte Leander die Flasche hin.
âJetzt nichtâ, knurrt er. âWir fahren über St. Gallen.â
Ich knabbere an einem Schokoriegel. Macht nicht wirklich satt, aber schmeckt.
Im Kreisverkehr folgt Leander nicht den grünen Autobahnschildern.
âDa stand aber doch St. Gallen!â, rufe ich.
âDas ist viel weiter. Hier lang gehtâs schneller, Baby.â
Er fährt Richtung Arbon am See.
Schokoriegel mag er nicht.
Nur Haferkekse und Wasser. Viel Wasser.
Leander braucht auch keine Pause. Er fährt und kaut und trinkt, alles gleichzeitig. Ich muss es ihm nur mundgerecht hinhalten. So macht es Mami, wenn Papi schnell am Ziel sein will. Ja-ha, so fühlt sich Erwachsensein an!
Megastark.
Graue Nieselwolken hängen überm Bodensee.
Der alte Kastenwagen rüttelt und schüttelt.
In jeder Kurve rutsche ich von A nach B.
Der Sitz ist hart und die alten Federn drücken in meinen Po.
Macht nichts, Marie-Helene, sage ich streng zu mir. Das hier ist das groÃe Abenteuer.
Und Abenteuer müssen aufregend und unbequem sein!
Bei Rorschach kommen wir endlich auf die Autobahn. Wir sind leider nicht die Einzigen.
Hunderte Lastwagen, Kleintransporter und schnelle Pkws wollen wie wir Richtung Chur und nach Italien.
Kurz vor Ragaz klingelt mein Handy.
Mir fährt der Schrecken in die Glieder.
Ich drücke schnell den Anruf weg. Gleich darauf kommt eine SMS . Ist ja gut, später!
Zittrig schalte ich das Handy aus. Herzgewummer!
Leander legt seine Hand auf mein Knie.
âNa, SüÃe, was sagst du?â
Er zeigt auf die grünen Schilder: Chur, San Bernardino und das I für Italien!
13. Heidiland
Anderthalb Stunden später sieht die Welt wie verwandelt aus. Knallblauer Himmel über fantastischen Bergrücken. Leander kurbelt das Fenster herunter. Wir schnuppern die warme Luft der Kuhwiesen und den Duft der reifen Ãpfel von den Obstplantagen.
Ich lehne meinen Kopf an Leanders Schulter.
Er greift mit der Hand in meinen Nacken und fährt zärtlich durch meine Haare.
Wow! Total magnetisch!
Die nächste Raststätte kündigt groÃartig das Heidiland bei Maienfeld an.
âHey, da war ich mal mit meinen Eltern!â
Mit einem Ruck setze ich mich auf.
âWir haben sogar in Maienfeld übernachtet!â
Tausend schöne Erinnerungen an die Zeit, als ich klein war, schlüpfen aus ihren Märchenhöhlen.
âEcht? Wir auch!â Leander grinst.
âWir sind auf die Alm gestiegen, mein Vater hat mir extra einen Stock geschnitzt, wie ihn der GeiÃenpeter hatte.â
Wir lachen. Wir grölen: âHeidiii, deine Welt sind die Berge ⦠denn dort oben bist du zu Haus.â
Leander nimmt die Ausfahrt.
âPause in Maienfeld?â Er strahlt mich an.
âJa, supi! Klaro!â
Wir kommen in eine starke Kurve und Lenni tritt auf die Bremse. Der Jippi kreischt ärgerlich.
Leander beiÃt die Zähne zusammen.
âScheiÃteileâ, knurrt er.
âWas? Die StraÃe oder die Bremsen?â Das Gekreische kommt mir eigentlich ganz lustig vor.
âScheiÃbremsen!â Er biegt ab und wir fahren in einen Kreisel um eine künstliche Bergziege herum. In der Kurve quietscht der Jippi schon wieder. Leander schüttelt nur den Kopf darüber.
Dann parken wir genial praktisch mitten in Maienfeld.
Es ist fast Mittag und die Luft schon richtig warm. Ich muss mir unbedingt den dicken Pulli ausziehen und die hellblaue Bluse aus dem Rucksack wühlen und übers Trägertop stülpen.
Dazu die Sandalen!
Das ist ein ziemliches Gewurstel.
Obwohl der Rucksack jetzt hinten auf der Ladefläche liegt. Ich knie zwischen Schlafsäcken, Kissen und Gepäck.
Leander steht vor dem Auto und wartet.
âIch krieg die Socken
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