Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
freiberuflicher Journalist, war ein wenig in Europa herumgereist und hatte unter anderem Sarajevo während der Belagerung Anfang der 1990er Jahre besucht. Doch Südostasien war wie ein blinder Fleck.
Dennoch brauchte ich nur wenige Tage, um meinen Entschluss in die Tat umzusetzen. Durch meine Begegnungen mit Aktivisten, im thailändischen Exil lebenden Studenten, jungen Männern und Frauen aus ethnischen Minderheitsgruppen sowie Menschen auf der Straße, die mir von ihrem Alltag erzählten, wurde mir die Bedeutung Burmas bewusst. Nicht nur im Hinblick auf das Land und die Menschen – auch wenn das allein schon ausgereicht hätte –, sondern auch für die Bedeutung, die Burma auf einer eher universellen Ebene darstellt. Wer sich mit Burma beschäftigt, stößt zwangsläufig auf fundamentale politische und soziale Fragen unserer Zeit. Wie können wir demokratische Prozesse in isolierten und despotischen Staaten befördern? Wie konnte die Entwicklung eines einst vielversprechenden Landes, das über Reichtümer verfügt, so vollkommen misslingen? Wie geht man in einer postkolonialen Welt mit ethnischen Konflikten um? Welche Bedeutung hat Chinas wachsende Macht für die internationalen Beziehungen und friedensschaffenden Maßnahmen?
All diese Fragen werden in Burma sicher nicht beantwortet, aber dort gibt es sie. Jeden Tag werden sie in diesem Land gestellt, das seit 1962 den härtesten Militärdiktaturen der Welt zugerechnet wird.
Während meiner ersten Reise Mitte der 1990er Jahre waren es natürlich nicht diese Fragen, die mich am meisten beschäftigten, sondern die Armut. Als ich Anfang Februar 2011 nach Rangun zurückkehrte, wurde mir klar, wie wenig sich seit meinem ersten Besuch geändert hatte. Die Risse im Asphalt der Innenstadt waren noch genauso tief, die Häuser ebenso verfallen und heruntergekommen, und die Kinder, die uns reiche westliche Ausländer auf der Straße um ein paar Kyat anbettelten, waren sogar noch hartnäckiger als vor 15 Jahren.
Eine Sache hatte sich hingegen doch geändert: Parallel mit der Armut war der Luxus augenfälliger geworden. In dieser Hinsicht hatte das Militär Erfolgt gehabt. Seit Beginn der wirtschaftlichen Liberalisierung Ende der 1980er Jahre – als das Regime versuchte, dem Beispiel Chinas zu folgen (Öffnung der Ökonomie unter Beibehaltung der politischen Kontrolle) – hatten die meisten zwar weiterhin in absoluter Armut verharren müssen, doch einige wenige waren unerhört reich geworden. Heutzutage sind ausländische Investoren und Unternehmer, meist Chinesen und Thailänder, aber auch Europäer und Amerikaner, ein gewohnter Anblick in den Straßen von Rangun und Mandalay. Einige burmesische Familien mit engen Verbindungen zum Militär und der politischen Elite leben in den Vororten der Großstädte in großzügigen Villen und genießen einen extremen Luxus.
Eine Taxifahrt vom Zentrum Ranguns zum Hauptquartier von Aung San Suu Kyi und ihrer Partei NLD (National League for Democracy) im Januar 2011 verschaffte mir einen Einblick in diese parallelen Wirklichkeiten: Bettler; Frauen, die auf der Straße Mahlzeiten zubereiteten; Arbeiter, die die Bauten aus der Kolonialzeit mit neuem Putz versahen; frisch renovierte Villen in der Nähe der Shwedagon-Pagode; Luxushotels für Touristen und Geschäftsleute.
Verglichen mit letzteren wirkt das Hauptquartier der NLD so bescheiden und zurückgezogen, dass man es kaum bemerkt, bis man an der Eingangstür steht. Das Büro liegt im ersten Stock über einem Möbelgeschäft und besteht aus einem Konferenzraum, Aung San Suu Kyis Arbeitszimmer und einem kleinen Bereich dazwischen, der mit Tisch und Stühlen ausgestattet ist und als Warteraum für diejenigen dient, die Aung San Suu Kyi sprechen möchten. Eine kleine Treppe verbindet die oberen Räume mit einem offen zugänglichen Bereich, der sich unter einem Blechdach neben dem Möbelgeschäft befindet. Hier können die Besucher frei verkehren, um kurze Treffen mit NLD -Vertretern abzuhalten, lokale Parteigruppen zu organisieren, Beratung von einem der für die Partei tätigen Anwälte zu bekommen oder einfach auf eine Tasse Tee und etwas Reis und Curry vorbeizuschauen.
Als ich den Taxifahrer bezahlte, bemerkte ich zwei Männer, die auf Plastikstühlen vor einem Teehaus auf der anderen Straßenseite saßen. Ein Bekannter, der einige Wochen zuvor bei Aung San Suu Kyi gewesen war, hatte mich vor dem Sicherheitsdienst gewarnt. Seit Aung San Suu Kyis Freilassung Anfang November 2010
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