Ikone der Freiheit - Aung San Suu Kyi
saßen Beobachter vor dem Büro der NLD und fotografierten alle westlichen Besucher. Ich betrat den öffentlichen Bereich des Hauptquartiers und stieß auf eine wahre Menschenansammlung – ganz anders als bei meinen vorherigen Besuchen, als die NLD noch starken Repressalien durch die Behörden ausgesetzt war und Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestanden hatte. Zwar war der Druck des Regimes im Januar 2011 noch immer spürbar, aber es war auch deutlich, dass ihre Freilassung der Demokratiebewegung neuen Auftrieb verschafft hatte.
Von einer Frau, die T-Shirts und Teetassen mit Aung San Suu Kyis aufgedrucktem Bild verkaufte, erstand ich eine Tasse grünen Tee und ließ mich auf einem der klapprigen Plastikstühle nieder, um auf sie zu warten.
Es war nicht leicht gewesen, bis zu diesem Punkt zu kommen. Vor meiner Abreise aus Schweden hatte ich einen Bekannten getroffen, der im thailändischen Exil für die burmesische Demokratiebewegung arbeitet. Er hatte Kontakt zu Aung San Suu Kyis Assistenten in Burma aufgenommen, um ein Treffen zu vereinbaren. Zuerst hieß es, dass ein Besuch nicht möglich sei. »Die Lady« sei krank und könne keine Journalisten empfangen. Doch dann ergab sich eine andere Möglichkeit. Es zeigte sich, dass die beiden schwedischen Parlamentarier Olle Thorell und Urban Ahlin einen Termin bei Aung San Suu Kyi ergattert hatten, es jedoch nicht schafften, sich rechtzeitig ein Visum zu besorgen. Ich konnte also ihren Termin übernehmen und mein Interview durchführen.
Sofort kaufte ich ein Flugticket nach Rangun. Diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Während der 15 Jahre, in denen ich mich mit der Burma-Frage beschäftigt hatte, war es mir nie gelungen, Aung San Suu Kyi persönlich zu treffen. Bei meinen früheren Besuchen in Burma hatte sie unter Hausarrest gestanden und durfte niemanden von außerhalb treffen, erst recht keine Journalisten aus dem Westen. Die erste Ausgabe dieses Buches entstand während ihres letzten, sieben Jahre dauernden Hausarrestes und basiert auf Interviews mit ihren Verwandten, Freunden und Kollegen sowie einer Reihe schriftlicher Quellen.
Nun sollte ich also mein Interview durchführen, doch als ich nach Rangun kam, musste ich erkennen, dass alles auf einem Irrtum beruhte. Der Termin der beiden schwedischen Abgeordneten war bereits durch ein anderes Treffen ersetzt worden. »Es tut mir leid«, sagte die junge burmesische Frau an der Rezeption gegenüber der Treppe, die zum Büro im ersten Stock hinaufführt, »aber Sie müssen mindestens zwei Wochen auf ein Interview warten. Die Lady war krank und kann derzeit keine weiteren Interviews geben.«
So lange konnte ich nicht warten. Ich hatte nur eine Woche Zeit.
Natürlich hatte ich vorab ein gewisses Risiko einkalkuliert und daher verschiedene andere interessante Verabredungen in Rangun getroffen. Als ich mir jedoch einzureden versuchte, dass die Absage des Interviews keine Rolle spielte, ähnelte ich wohl am ehesten Aschenputtel, das in seinem Turmzimmer steht und sich selbst zu überzeugen versucht, dass ein Ball im Schloss auch traurig und langweilig sein kann … Doch Tatsache war, dass sich die Absage wie ein Hammerschlag vor den Kopf angefühlt hatte. Ich wollte Aung San Suu Kyi unbedingt selbst über ihre neugewonnene Freiheit, die Zeit im Hausarrest und die derzeitige Lage in Burma reden hören. Andere Stimmen kannte ich ja bereits. Aber es war ihre Stimme, die ich einfangen wollte.
Immerhin verstärkte sich mein Optimismus, als es mir gelang, ein Interview mit U Win Tin zu führen, dem 81-jährigen Lyriker und NLD -Politiker, der 20 Jahre im Gefängnis gesessen hatte, davon einige Jahre sogar in völliger Isolation. Er erzählte mir von seinem Leben im Gefängnis: über die Poesie, die er auf die Wände der Isolationszelle kritzelte; darüber, wie er und die anderen Insassen Kurse in zivilem Ungehorsam abhielten; wie sie eine illegale Gefängniszeitung herstellten, deren einzige Ausgabe zwischen den Zellen hin- und hergeschmuggelt wurde, damit die Gefangenen sie im Kerzenschein lesen konnten. Nach unserer Unterhaltung versprach er mir, sich für ein Interview mit Aung San Suu Kyi einzusetzen.
Drei Tage vergingen. Nach einer weiteren Wartezeit mit zahlreichen Tassen grünem Tee wurde ich endlich von U Thein Oo, dem Assistenten Aung San Suu Kyis, in das obere Stockwerk geführt. Ich nahm im Warteraum Platz. Die blaue Farbe an Decke und Wänden hatte sich durch Feuchtigkeit und Alter teilweise
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