Illuminati
Das Skelett trug ein Tablett mit der gleichen Pyramide und dem Stern darüber, wie sie es draußen auf der Piazza über der Porta del Popolo gesehen hatten.
Doch es war nicht das Mosaik, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war vielmehr die Tatsache, dass es eine runde Steinplatte zierte – einen cupermento –, die wie ein Schachtdeckel aus dem Boden genommen worden war und nun neben einem gähnend schwarzen Loch lag.
»Das Dämonenloch!«, ächzte Langdon. Er war so in die Decke und die Pyramiden versunken gewesen, dass er es nicht gleich bemerkt hatte. Nervös näherte er sich dem Loch. Der von unten heraufdringende Gestank war überwältigend.
Vittoria legte eine Hand vor den Mund. »Che puzzo!«
»Effluvium«, erklärte Langdon. »Dämpfe aus vermodernden Gebeinen.« Er hielt sich den Jackenärmel vor die Nase, während er sich über das Loch beugte und nach unten spähte. Schwärze. »Ich kann nichts erkennen.«
»Glauben Sie, dort unten ist jemand?«
»Woher soll ich das wissen?«
Vittoria deutete auf die gegenüberliegende Seite des Lochs, wo eine modrige Holzleiter in die Tiefe führte.
Langdon schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«
»Vielleicht liegt draußen zwischen all dem Werkzeug eine Lampe.« Vittoria klang, als suchte sie einen Grund, sich dem bestialischen Gestank zu entziehen. »Ich gehe nachsehen.«
»Seien Sie vorsichtig!«, warnte Langdon. »Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob dieser Assassine noch…«
Doch Vittoria marschierte bereits durch das Kirchenschiff.
Was für eine Willensstarke Frau, dachte Langdon.
Er wandte sich wieder dem Loch zu und spürte, wie ihm von den Dämpfen schwindlig wurde. Mit angehaltenem Atem steckte er den Kopf hinein und spähte hinunter in die Dunkelheit. Langsam, nachdem seine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, erkannte er unten schwache Umrisse. Das Loch weitete sich anscheinend zu einer kleinen Kammer. Dämonenloch. Wie viele Generationen von Chigis hier wohl höchst unfeierlich hineingeworfen worden waren? Langdon zog sich zurück und wartete mit geschlossenen Augen, um seine Pupillen noch mehr an die Dunkelheit zu gewöhnen. Als er sie erneut öffnete, schwebte unten in der Dunkelheit eine bleiche Gestalt. Langdon erschauerte und kämpfte gegen den instinktiven Fluchtreflex an. Sehe ich jetzt schon Gespenster? Ist das ein Leichnam? Er schloss die Augen erneut, noch länger diesmal, bis er sicher war, dass er auch das schwächste Licht wahrnehmen würde.
Ihm wurde schwindlig, und seine Gedanken begannen ziellos zu kreisen. Nur noch ein paar Sekunden. Vielleicht lag es an den Dämpfen oder daran, dass er den Kopf so tief nach unten hielt, doch allmählich stieg Übelkeit in ihm auf. Als er die Augen schließlich wieder öffnete, erlebte er eine Überraschung.
Er starrte in eine Krypta, die in blaues Licht gebadet war. In seinen Ohren hallte ein schwaches Zischen wider. Licht flackerte auf den glatten Wänden des Schachts. Unvermittelt materialisierte über ihm ein langer Schatten. Erschrocken zuckte Langdon hoch.
»Aufgepasst!«, rief Vittoria hinter ihm.
Bevor Langdon sich umdrehen konnte, spürte er einen brennenden Schmerz am Hals. Er wirbelte herum und sah, wie Vittoria einen Schweißbrenner von ihm wegdrehte; die fauchende Flamme tauchte die Kapelle in blaues Licht.
Langdon betastete seinen Nacken. »Was tun Sie da, um Himmels willen?«, fragte er.
»Ich wollte Ihnen leuchten!«, sagte sie. »Sie sind direkt in mich hineingerannt.«
Langdon starrte auf den Schweißbrenner in ihrer Hand.
»Etwas Besseres habe ich nicht gefunden«, verteidigte sie sich. »Es gibt keine Lampen.«
»Ich habe Sie nicht zurückkommen hören.«
Vittoria reichte ihm den transportablen Brenner. Sie verzog das Gesicht wegen des Gestanks, der aus dem Loch schlug. »Sind diese Dämpfe feuergefährlich?«
»Ich hoffe nicht.«
Er nahm den Brenner und bewegte sich vorsichtig auf das Loch zu. Er leuchtete in den Schacht hinunter und erkannte zum ersten Mal die genauen Umrisse des Ossuariums. Es war rund und besaß einen Durchmesser von vielleicht sechs Metern. Der Boden lag zehn Meter unter ihm. Festgestampfter Erdboden, dunkel und modrig. Keine Fliesen oder Platten. Irden. Dann entdeckte er den Leichnam.
Langdon zuckte zusammen. »Er ist hier«, flüsterte er heiser und zwang sich, genauer hinzusehen. Die Gestalt hob sich bleich vom dunklen Boden ab. »Ich glaube, er wurde nackt ausgezogen.« Das Bild des ermordeten
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