Illuminati
Leonardo Vetra stieg vor Langdons geistigem Auge auf.
»Ist es einer der Kardinale?«
Es war von hier oben nicht zu erkennen, doch Langdon konnte sich nicht vorstellen, wer es sonst hätte sein sollen. Er starrte die reglose Gestalt an. Leblos. Und doch… Langdon zögerte. Die Gestalt hatte etwas sehr Eigenartiges an sich. Wie sie dort stand…
»Hallo?«, rief er hinunter.
»Glauben Sie, er lebt noch?«
Von unten kam keine Antwort.
»Er bewegt sich nicht«, sagte Langdon. »Aber es sieht aus, als…« Nein, unmöglich!
»Es sieht aus, als…?« Vittoria spähte nun ebenfalls über den Rand des Lochs.
Langdon blinzelte in die Dunkelheit. »Es sieht aus, als stünde er aufrecht.«
Vittoria hielt den Atem an und brachte ihr Gesicht noch weiter über das Loch. Nach einem Augenblick zog sie sich wieder zurück. »Sie haben Recht, er steht. Vielleicht ist er noch am Leben und braucht Hilfe! Hallo? Signore? Mi puo sentiere?«, rief sie in das Loch hinunter.
Nicht einmal ein Echo kam von den moosbewachsenen Wänden zurück. Nur Stille.
Vittoria setzte sich in Richtung der gebrechlichen alten Leiter in Bewegung. »Ich steige hinunter.«
Langdon packte sie am Arm. »Nein. Es ist zu gefährlich! Ich gehe.«
Diesmal widersprach sie nicht.
66.
Chinita Macri war stocksauer. Sie saß auf dem Beifahrersitz des Übertragungswagens, der mit laufendem Motor am Straßenrand der Via Tomacelli stand. Günther Glick hatte sich offensichtlich verfahren und war in den Stadtplan von Rom auf seinem Schoß vertieft. Wie um Chinitas Befürchtungen zu bestätigen, hatte sich der anonyme Anrufer erneut gemeldet und weitere Informationen mitgeteilt.
»Piazza del Popolo!«, sagte Günther. »Wir müssen sie finden!
Dort steht eine Kirche, und in der Kirche finden wir Beweise!« »Beweise, pah!« Chinita unterbrach das Polieren der Brille in
ihrer Hand und wandte sich zu Glick. »Beweise wofür? Dass der Kardinal ermordet wurde?«
»Das hat er gesagt, ja.«
»Du glaubst wohl alles, was man dir erzählt!« Wie schon so häufig wünschte sich Chinita, diejenige zu sein, die das Sagen
hätte. Doch Videografen waren der Willkür der Reporter ausgeliefert, denen sie zugeteilt wurden. Wenn Günther Glick einem anonymen Anruf nachgehen wollte, musste sie ihm folgen, ob sie wollte oder nicht. Wie ein Hündchen an der Leine.
Sie musterte ihn, wie er auf dem Fahrersitz saß, die Kiefer entschlossen zusammengebissen. Die Eltern dieses Mannes waren wahrscheinlich frustrierte Schauspieler gewesen, sonst hätten sie ihr Kind nicht mit so einem Namen geschlagen. Günther Glick. Kein Wunder, dass er ständig glaubte, irgendetwas beweisen zu müssen. Doch trotz seines unglückseligen Namens und seines ärgerlichen Eifers, unbedingt einen Treffer zu landen, war Glick irgendwie süß… charmant auf eine blasse, britische Art. Wie Hugh Grant auf Lithium.
»Sollten wir nicht lieber wieder zurück zum Petersdom?«, fragte Chinita so ruhig, wie es ihr möglich war. »Wir können diese mysteriöse Kirche später immer noch überprüfen. Das Konklave hat vor einer Stunde angefangen. Was, wenn die Kardinale zu einer Entscheidung finden, während wir nicht dort sind?«
Günther schien sie überhaupt nicht zu hören. »Ich glaube, wir müssen dort vorne rechts abbiegen.« Er drehte die Karte um neunzig Grad und studierte sie erneut. »Genau. Wenn ich dort rechts abbiege… und dann gleich wieder links.« Er ordnete sich in den fließenden Verkehr auf der schmalen Straße ein.
»Pass auf!«, rief Chinita. Als Videografin hatte sie scharfe Augen. Zum Glück war Günther genauso schnell. Er stieg mit aller Kraft auf die Bremse und brachte den Wagen gerade noch vor der Kreuzung zum Stehen. Eine Reihe von vier schwarzen Alfa Romeos erschien wie aus dem Nichts und raste an ihnen vorbei. Gleich an der nächsten Kreuzung bremsten die Fahrzeuge mit quietschenden Reifen und bogen nach links ab – auf der gleichen Route, die Günther ebenfalls ausgesucht hatte.
»Die sind wohl verrückt!«, schimpfte Chinita.
Günther hatte einen gewaltigen Schrecken davongetragen.
»Hast du das gesehen?«, fragte er mit zitternder Stimme. »Und ob! Die hätten uns fast umgebracht!«
»Nein, ich meine die Wagen!« Plötzlich klang seine Stimme
aufgeregt. »Es waren vier identische Wagen!«
»Na und? Dann hatten sie eben keine Fantasie!«
»Die Wagen waren voll besetzt!«
»Na und?«
»Vier identische Fahrzeuge mit jeweils vier Passagieren?“ »Hast du schon
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