Illuminati
sein als der Papst.
Vittoria ging in die Hocke und spähte in den Tunnel. »Kommen Sie, wir überprüfen die Tür und sehen nach, ob sie offen ist.«
Langdon öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Vittoria nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit sich in den Gang hinunter.
»Warten Sie«, sagte er.
Sie wandte sich ungeduldig zu ihm um.
Langdon seufzte. »Ich gehe zuerst.«
Vittoria blickte ihn überrascht an. »Es gibt doch noch
Kavaliere?«
»Alter vor Schönheit.«
»War das ein Kompliment?«
Langdon lächelte und schob sich an ihr vorbei in die
Dunkelheit. »Vorsicht bei den Stufen.«
Langsam, vorsichtig tastete er sich mit einer Hand an der Wand tiefer in die Dunkelheit. Die Steine unter seinen Fingerspitzen waren scharfkantig und feucht. Die Legende von Daidalos kam ihm in den Sinn, dem griechischen Baumeister, der wusste, dass er aus dem Labyrinth des Minotaurus entkommen würde, wenn er nur immer an einer Wand entlang ging. Langdon war nicht so sicher, ob er wissen wollte, was ihn am Ende dieses Ganges erwartete.
Der Tunnel wurde enger, und Langdon tastete sich noch langsamer voran. Er spürte Vittoria dicht hinter sich. Die Wand wich nach links zurück, und der Tunnel öffnete sich in einen halbkreisförmigen Alkoven hinein. Merkwürdigerweise war es hier drin heller als im Gang. Im Halbdunkel bemerkte Langdon die Umrisse einer schweren Holztür.
»Oh«, sagte er.
»Verschlossen?«
»Das war sie.«
»War?« Vittoria trat neben ihn.
Langdon deutete auf das Schloss. Schwaches Licht kam aus
dem Raum hinter der offen stehenden Tür… noch immer steckte das Brecheisen im Holz, mit dem sie aufgebrochen worden war.
Sie standen einen Augenblick schweigend da. Dann spürte Langdon in der Dunkelheit Vittorias Hand auf seiner Brust… tastend glitt sie unter sein Jackett.
»Entspannen Sie sich, Professor«, sagte sie. »Ich hole nur die Waffe heraus.«
In diesem Augenblick schwärmte im Vatikanischen Museum ein großer Trupp Schweizergardisten in alle Richtungen aus. Das Museum lag dunkel da, und die Gardisten trugen Infrarotbrillen. Alles schimmerte in gespenstischen Grüntönen. Die Gardisten führten antennenartige Detektoren mit sich, die sie vor sich schwenkten – die gleichen Geräte, die sie zweimal in der Woche einsetzten, um in den Räumen des Vatikans nach elektronischen Wanzen zu suchen. Sie bewegten sich langsam und methodisch, sahen hinter den Statuen nach, in Nischen, Schränken und unter Möbeln. Die Geräte würden ein Warnsignal ausstoßen, sobald sie auch nur die kleinste Spur eines magnetischen Feldes fanden.
Doch die Gardisten warteten vergeblich auf dieses Signal. Sämtliche Geräte blieben stumm.
65.
Der Innenraum von Santa Maria del Popolo lag düster im rasch schwindenden Licht des Abends, das durch die Bleiglasfenster hereinfiel. Er erinnerte mehr an eine halb fertige U-Bahn-Station als an eine Kathedrale. Das Hauptschiff stand voller Baumaterial und Schutt: herausgerissener Fußboden, Paletten voller Steine, Schubkarren. Sogar ein rostiger Bagger war zu sehen. Das Dachgewölbe wurde von gewaltigen Säulen getragen. Staub hing träge in der Luft und schwebte schimmernd in den Sonnenstrahlen, die durch die bunten Bleiglasfenster fielen. Langdon stand zusammen mit Vittoria unter einem ausladenden Fresko von Pinturicchio und suchte den Innenraum ab.
Nichts bewegte sich. Totenstille.
Vittoria hielt die Pistole mit beiden Händen. Langdon schaute auf die Uhr. Vier Minuten nach acht. Wir müssen verrückt sein,
uns hier hereinzuwagen, dachte er. Es ist viel zu gefährlich. Doch er wusste, dass Vittoria Recht hatte – falls der Mörder noch immer hier drin lauerte, konnte er durch jeden der Ausgänge entkommen. Es wäre sinnlos gewesen, draußen vor einer Tür und nur mit einer Waffe auf ihn zu warten. Die einzige Möglichkeit bestand darin, ihn hier zu stellen… falls er überhaupt noch da war. Langdon wurde von Schuldgefühlen gequält wegen seines Fehlers, der sie zuerst zum Pantheon geführt und deshalb ihrer Chance beraubt hatte. Es stand ihm nicht an, jetzt zur Vorsicht zu mahnen – er war schließlich derjenige, der sie in diese Klemme manövriert hatte, mit dem Rücken zur Wand.
Vittoria blickte sich in der Kirche um. »Wo ist diese Chigi-Kapelle?«
Langdon starrte suchend in das staubige Halbdunkel und auf die Wände. Im Gegensatz zur allgemeinen Vorstellung besaßen Kathedralen aus der Zeit der Renaissance stets mehrere angegliederte Kapellen;
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