Illuminati
Flutlichtscheinwerfern, die das Gebäude von außen anstrahlten. Die winzigen Fenster waren ausnahmslos schwarz. Langdons Augen glitten höher. Direkt unter dem Dach der runden Konstruktion und unter dem Schwert des Engels, in fast dreißig Metern Höhe, ragte ein Balkon aus den Mauern. Die Brustwehr aus Marmor glänzte in einem kaum wahrnehmbaren flackernden Schein, als wäre der Raum dahinter von Fackeln erhellt. Langdon stockte, und ein Zittern durchlief ihn. Ein Schatten? Er wartete angespannt. Dann sah er es wieder. Dort oben ist jemand!
»Vittoria!«, rief er laut, unfähig, etwas dagegen zu unternehmen, doch das wilde Hochwasser des Tiber hinter ihm verschluckte seine Stimme. Er drehte sich im Kreis und fragte sich, wo die Schweizergardisten so lange blieben. Hatten sie seine Nachricht überhaupt empfangen?
Auf der anderen Seite des Platzes stand ein großer Übertragungswagen. Langdon rannte dorthin. Ein dicker Mann mit einem Kopfhörer saß hinten und betätigte irgendwelche Regler. Langdon klopfte gegen die seitliche Schiebetür. Der Mann zuckte zusammen, bemerkte Langdons nasse Kleidung und riss sich den Kopfhörer herunter.
»Was gibt’s denn, Kumpel?« Er redete mit australischem Dialekt.
»Ich brauche Ihr Telefon!« Langdon flehte beinahe.
Der Mann zuckte die Schultern. »Keine freie Leitung, Kumpel. Die Sender sind überlastet. Ich versuch’s schon die ganze Nacht.«
Langdon fluchte laut. »Haben Sie jemanden dort reingehen sehen?« Er deutete zur Zugbrücke.
»Hab ich. Ein schwarzer Lieferwagen. Fährt schon die ganze Nacht immer wieder rein und raus.«
Langdon spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.
»Verdammter Glückspilz«, sagte der Australier mit einem neidischen Blick zur Burg hinauf. »Jede Wette, die Aussicht von dort oben ist fantastisch. Ich hab es nicht durch den Verkehr beim Petersplatz geschafft, deswegen filme ich von hier.«
Langdon hörte gar nicht zu. Er suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit.
»Was meinen Sie?«, fuhr der Australier fort, »ist diese Geschichte von einem Samariter der elften Stunde wahr oder nicht?«
Langdon wandte sich zu ihm um. »Einem was?«
»Haben Sie nichts davon gehört? Der Hauptmann der Schweizergarde hat einen Anruf von jemandem erhalten, der behauptet, wichtige Informationen zu besitzen. Der Typ ist mit dem Flieger unterwegs nach Rom. Ich weiß nur eins – wenn es ihm gelingt, den Vatikan zu retten, gehen die Quoten wieder in den Keller.« Der Aussie lachte.
Langdon blickte ihn verwirrt an. Ein Samariter, der hergeflogen kommt, um zu helfen? Weiß er vielleicht, wo die Antimaterie versteckt ist? Warum hat er es der Schweizergarde nicht direkt am Telefon gesagt? Warum kommt er persönlich? Irgendetwas an der Geschichte klang merkwürdig, doch Langdon hatte nicht die Zeit, länger darüber nachzudenken.
»Hey«, sagte der Aussie unvermittelt und betrachtete Langdon genauer. »Sind Sie nicht der Typ, den ich im Fernsehen gesehen hab? Haben Sie nicht versucht, diesen Kardinal auf dem Petersplatz zu retten?«
Langdon antwortete nicht. Seine suchenden Blicke wurden von einer Apparatur auf dem Dach des Übertragungswagens angezogen – einer Satellitenschüssel auf einer ausfahrbaren Antenne. Langdons Blick glitt von der Antenne zu den Mauern der Burg und wieder zurück. Die äußere Wehrmauer war gut fünfzehn Meter hoch. Die innere Festung ragte noch höher auf. Eine Verteidigungsanlage mit schalenförmigem Aufbau. Sie sah von hier unten unglaublich hoch aus, doch wenn es Langdon gelang, die erste Mauer zu überwinden…
Langdon wirbelte zu dem Reporter herum und deutete auf die Antenne. »Wie hoch reicht die?«
Der Mann schien überrascht. »Fünfzehn Meter, warum?«
»Lassen Sie den Motor an. Fahren Sie ganz dicht an die Mauer. Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Was reden Sie da?«
Langdon erklärte es ihm.
Der Aussie riss die Augen auf. »Sind Sie wahnsinnig? Das ist eine Zweihunderttausend-Dollar-Antenne und keine Feuerwehrleiter!«
»Wollen Sie Einschaltquoten oder nicht? Ich verfüge über Informationen, für die andere ihre Seele verkaufen würden.« Langdon war verzweifelt.
»Sind diese Informationen Zweihunderttausend Dollar wert?«
Langdon sagte ihm, was er als Gegenleistung zu bieten hatte.
Neunzig Sekunden später umklammerte er die Spitze einer im leichten Abendwind schwankenden Antenne fünfzehn Meter über dem Boden. Er streckte eine Hand aus und packte den Saum des Walls, um sich dann auf die Mauerkrone zu ziehen
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