Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Prolog
„Fangen wir doch noch mal von vorn
an. Wie ist dein Name?“
„Seit wann duzen wir uns?“
„Entschuldigung. Aber Sie müssen
meine Verwirrung verstehen, Herr Greth.“
„Jetzt haben Sie meinen Namen ja
schon gesagt.“
„Ja, richtig. Und wie ist mein
Name?“
„Sie kennen Ihren Namen nicht?“
„Doch. Aber ich möchte wissen, ob
Sie ihn kennen.“
„Ihr Name ist Braun. Doktor Braun.“
„Gut, sehr richtig. Wissen Sie
auch, wo wir sind?“
„Ja, wir sind in Berlin. In einer
Klapse. Und der Gestank nach Desinfektionsmittel ist höllisch. Können wir vielleicht
eines der Oberlichter öffnen?“
„Das ist richtig. Sehen Sie, wenn
Sie mitmachen, geht das Ganze viel leichter. Allerdings bevorzugen wir hier die
Bezeichnung Psychiatrische Klinik . Welcher Tag ist heute?“
„Es müsste Montag sein. Am Samstag
haben Sie mich eingesperrt.“
„Wir haben Sie nicht eingesperrt.
Wir haben Sie nur in Gewahrsam genommen, um Sie vor sich selbst zu schützen.“
„Ach so. Kann ich dann jetzt
gehen?“
„Nein, das können Sie nicht. Ich
habe die Aufsichtspflicht für Sie, da bitte ich um Verständnis. Wissen Sie das
Datum des heutigen Tages?“
„Heute ist der 15. Juli 1985.“
„Sehr schön, Herr Greth. Kommen wir
doch noch mal auf den Samstag zu sprechen.“
„Das haben wir doch jetzt schon
hundertmal durchgekaut.“
„Ich weiß. Aber mir sind so viele
Details immer noch nicht klar. Sie müssen verstehen, dass ich hier noch mal
genau nachfrage. Immerhin sind Sie uns von der Polizei übergeben worden.“
„Natürlich.“
„Sie sind allein gereist? Bis nach
London?“, fragt Doktor Braun weiter.
„Ja.“
„Woher können Sie das? Einen Wagen
lenken, meine ich?“
„Können Sie das etwa nicht?“
„Doch, ich kann das auch.“
Doktor Braun schreibt etwas auf ein
Blatt Papier.
„Was schreiben Sie da?“
„Ich mache mir nur Notizen.
Erzählen Sie doch bitte weiter.“
„Was wollen Sie denn hören?“
„Sie sind mit dem Auto nach Calais.
Und dann?“
„Das habe ich Ihnen auch schon
erzählt. Ich habe die Fähre nach Dover genommen.“
„Einfach so die Fähre bestiegen?“
„Nein. Ich habe mich an Bord
geschlichen. Das wissen Sie doch längst!“
Doktor Braun stützt die Ellbogen
auf den Tisch, der zwischen ihnen steht.
„Mein Junge, ich will dir helfen.
Wir alle hier wollen dir helfen.“
„Auch Ihre Kollegen, die da hinter
den Spiegeln sitzen und mich beobachten?“
„Wie kommst du denn auf die Idee,
dass dich jemand beobachtet?“
Unvermittelt blickt Braun zu der
verspiegelten Wand. Sie reflektiert den weiß gekachelten Raum. Zwei Stühle, ein
Tisch.
„Kommen Sie, Doc. Mir können Sie
nichts vormachen. Ich bin kein Kind mehr.“
„Genau das ist der Punkt, Nori. Du
bist zwölf Jahre alt!“
„Nein, ich bin dreizehn. Und genau
genommen nur mein Körper.“
„Sie bleiben also dabei?“
„Ja, ich bin ein vierzigjähriger
Mann.“
„Und wie kamen Sie noch gleich in
den Körper eines Kindes?“
„Nicht eines Kindes. Es ist mein
Körper. Hören Sie, Doc, ich weiß, dass Sie mir nicht glauben. Ich weiß, dass niemand
mir glauben wird. Das können Sie auch gar nicht. Weil das, was ich erzähle,
weit über Ihren Horizont hinausgeht. Für Sie ist das alles doch nur irres
Geplapper. Ich könnte Ihnen genauso gut erzählen, dass ich von der Venus komme
und zaubern kann. Haben Sie Terminator gesehen? Ich bin Ihr ganz
persönlicher Kyle Reese .“
„Bitte regen Sie sich nicht auf.“
„Aber Sie sind irritiert. Weil Sie
merken, dass ich nicht rede wie ein Dreizehnjähriger. Ich handle und bewege
mich auch nicht so. Das macht Sie stutzig. Aber Sie und Ihre Kollegen kommen
nicht dahinter, wie das sein kann. Sie zermartern sich die Hirne, wie man ein
Kind dazu bringt, sich so zu verhalten. Mit Drogen? Gewalt? Ich sage Ihnen: mit
nichts davon! Verstehen Sie mich? Nichts! Wälzen Sie Ihre alten Bücher. Sie
werden die Antwort nicht finden. Auch nichts, was vergleichbar wäre. Und ich
sage Ihnen gern noch einmal, warum. Weil ich aus der Zukunft komme und in
meinen eigenen Kinderkörper zurückgekehrt bin!“
Doktor Braun erwidert nichts. Mit
gedankenverlorener Miene betrachtet er seinen Patienten. Nori ist klein, sogar
für einen Dreizehnjährigen. Klein und schmächtig. Pony, Mondgesicht, die
Wangen mit einem Rest von Babyspeck. Aber etwas stört das Bild. Da ist etwas in
Noris mandelförmigen Augen. Etwas schwer Definierbares, das nicht da
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