Illuminati
wenigen Schweizergardisten vergönnt. Niemand durfte die Räumlichkeiten betreten – es sei denn, in Begleitung des Papstes persönlich.
Vorsichtig griff Chartrand nach dem Türknopf und drehte ihn herum. Wie erwartet, war die Tür zugesperrt. Er legte das Ohr an die Tür und lauschte. Das Klopfen war nun deutlicher zu hören. Dann vernahm er noch etwas – Stimmen! Irgendjemand rief etwas Unverständliches.
Chartrand begriff den Sinn der Worte nicht, doch er hörte die Panik in den Stimmen. War jemand in der Bibliothek eingesperrt? Hatten die Schweizergardisten das Gebäude nicht gründlich evakuiert? Chartrand zögerte. Er fragte sich, ob er zurückkehren und Rocher um Rat fragen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Zur Hölle damit! Chartrand war ausgebildet worden, eigene Entscheidungen zu fällen, und genau das würde er jetzt tun. Er zog seine Waffe und feuerte einen einzelnen Schuss in das Schloss der Tür. Das Holz explodierte förmlich, und die Tür flog auf.
Hinter der Schwelle sah er zunächst nichts als Schwärze. Er schwenkte seinen Scheinwerfer. Der Raum war rechteckig orientalische Teppiche, hohe Eichenregale voller Bücher, ein gestepptes Ledersofa und ein mit Marmor eingefasster Kamin. Chartrand hatte Geschichten über diesen Raum gehört – dreitausend alte Bücher Seite an Seite mit Hunderten zeitgenössischer Magazine und Schriftenreihen, alles, was seine Heiligkeit erbat. Der niedrige Tisch vor dem Sofa war mit politischen und wissenschaftlichen Zeitschriften überhäuft.
Das Klopfen klang nun viel näher. Chartrand schwenkte den Scheinwerfer in Richtung des Geräuschs. Auf der anderen Seite des Raums, hinter der Leseecke, war eine schwere Eisentür in die Wand eingelassen. Sie sah so unüberwindlich aus wie eine Gefängnistür und besaß vier gewaltige Schlösser. Als er den winzigen Schriftzug las, der mitten auf der Tür ins Eisen graviert war, stockte Chartrand der Atem.
Il Passetto
Chartrand starrte auf die Tür. Der geheime Fluchtweg des Papstes! Selbstverständlich hatte er von Il Passetto gehört, sogar Gerüchte, dass er seinen Anfang hier in der Bibliothek nahm, doch der Tunnel war seit Menschengedenken nicht mehr benutzt worden. Wer kann das sein, der auf der anderen Seite klopft?
Chartrand nahm seinen Handscheinwerfer und erwiderte damit das Klopfgeräusch. Auf der anderen Seite ertönte ein erstickter Ausruf. Das Klopfen erstarb, und die Stimmen riefen lauter. Chartrand verstand nur Bruchstücke von dem, was sie sagten.
»Kohler… lügt… Camerlengo…«
»Wer ist da?«, brüllte Chartrand.
»… Langdon. Vittoria Vet…«
Chartrand verstand genug, um seine Verwirrung noch zu steigern. Ich dachte, beide wären tot!
»… die Tür!«, riefen die Stimmen. »Öffnen…!«
Chartrand betrachtete die eiserne Barriere und wusste, dass er Dynamit benötigen würde, um sie ohne die Schlüssel zu öffnen. »Unmöglich!«, rief er zurück. »Zu dick!«
»Treffen… aufhalten… lengo… Gefahr!«
Bei den letzten Worten stieg in Chartrand panische Furcht auf. Hatte er richtig verstanden? Klopfenden Herzens wandte er sich um und wollte zum Amtszimmer zurücklaufen, doch in der Drehung stockte er. Sein Blick war auf etwas an der Tür gefallen… etwas noch Schockierenderes als die Botschaft von der anderen Seite. In jedem der vier massiven Türschlösser steckten… Schlüssel! Chartrand starrte fassungslos darauf. Die Schlüssel sind hier? Er blinzelte ungläubig. Die Schlüssel zu dieser Tür wurden in einem sicheren Gewölbe aufbewahrt! Dieser geheime Gang wurde niemals benutzt – seit Jahrhunderten nicht mehr!
Chartrand stellte den Scheinwerfer auf dem Boden ab. Er streckte die Hand nach dem ersten Schlüssel aus und drehte ihn herum. Der Mechanismus war rostig und schwergängig, doch er funktionierte noch. Irgendjemand hatte dieses Schloss erst kürzlich geöffnet. Chartrand drehte den nächsten Schlüssel. Das Gleiche. Den dritten. Als der letzte Riegel zurückgeglitten war, zog er, und die schwere eiserne Barriere öffnete sich. Er nahm den Scheinwerfer wieder auf und leuchtete in die Dunkelheit dahinter.
Robert Langdon und Vittoria Vetra sahen aus wie Gespenster, als sie aus der Dunkelheit in die Bibliothek stolperten. Beide waren verschmutzt und erschöpft, doch unverletzt.
»Was hat das zu bedeuten?«, wollte Chartrand wissen. »Woher kommen Sie? Wie sind Sie in diesen Gang gekommen?«
»Wo ist Maximilian Kohler?«, fragte Langdon statt einer
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