Illuminati
Kirche wartet auf dich, wenn du deinen Dienst abgeleistet hast.«
Die zwei Jahre beim Militär waren grässlich gewesen. Carlo hatte seine Jugend in Stille und Kontemplation verbracht, in der Armee gab es keine Stille und keine Möglichkeit zur Reflexion. Endloser Lärm. Gewaltige Maschinen überall. Keinen Augenblick Frieden, Stille. Obwohl die Soldaten einmal in der Woche zur Messe gingen, spürte Carlo bei keinem seiner Kameraden die Gegenwart Gottes. Ihre Köpfe waren zu sehr mit Chaos gefüllt, um Gott zu sehen.
Carlo hasste sein neues Leben, doch er war entschlossen, die Zeit durchzustehen. Er hatte das Böse noch nicht begriffen.
Er weigerte sich, eine Waffe abzufeuern, und so lehrte ihn das Militär, einen Sanitätshubschrauber zu fliegen. Carlo hasste den Lärm und den Gestank, doch auf diese Weise konnte er hoch in den Himmel steigen und seiner Mutter näher sein. Als man ihn informierte, dass die Ausbildung auch Fallschirmspringen einschloss, spürte Carlo schreckliche Angst. Doch ihm blieb keine andere Wahl, als sich zu füge n.
Gott wird mich beschützen, sagte er sich.
Carlos erster Absprung mit dem Fallschirm war die aufregendste körperliche Erfahrung seines bisherigen Lebens. Es war, als flöge er mit Gott. Carlo konnte überhaupt nicht genug davon bekommen… die Stille… das Schweben… das Gesicht seiner Mutter in den aufgetürmten weißen Wolken, während er der Erde entgegenraste. Gott hat Pläne mit dir, Carlo. Als er seine Dienstzeit beim Militär hinter sich hatte, trat er dem Priesterseminar bei.
Das war vor dreiundzwanzig Jahren gewesen.
Der Camerlengo stieg die Scala Regia hinunter und versuchte die Kette von Ereignissen zu verstehen, die ihn in diese ungewöhnlichen Lebensstation geführt hatte.
Leg alle Furcht ab, sagte er sich, und begib dich in die Hand Gottes.
Vor sich sah er die schwere bronzene Doppeltür der Sixtinischen Kapelle, bewacht von vier pflichtbewussten Schweizergardisten. Die Hellebardiere schoben den massiven Riegel zurück und zogen die Türen auf. Im Innern der Kapelle wandte sich jeder Kopf zu ihm um. Der Camerlengo erwiderte ihre Blicke, musterte die schwarzen Roben und roten Schärpen. Er verstand nun, welche Pläne Gott mit ihm hatte. Das Schicksal der Kirche lag in seinen Händen.
Der Camerlengo bekreuzigte sich und trat über die Schwelle.
48.
Der BBC-Journalist Günther Glick saß schwitzend im Übertragungswagen, der auf der östlichen Seite des Petersplatzes geparkt stand, und verfluchte seinen Chefredakteur, der ihn hierher geschickt hatte. Obwohl Glicks erster Monatsbericht voller Superlative gewesen war – einfallsreich, mit spitzer Feder verfasst und mit zuverlässigen Informationen gespickt – saß er nun hier vor dem Vatikan auf »Papstwache«, Er rief sich ins Gedächtnis, dass die Berichterstattung für die BBC wesentlich glaubwürdiger war als das Garn, das er sich Für den British Tattier zurechtgesponnen hatte. Trotzdem entsprach das hier bei weitem nicht seiner Vorstellung von Reportage.
Glicks Auftrag war einfach. Beschämend einfach. Er hatte hier zu sitzen und darauf zu warten, dass eine Bande alter Knacker ihren nächsten Oberfurz wählte, um anschließend nach draußen zu gehen und einen Fünfzehn-Sekunden-»Live«-Spot mit dem Vatikan im Hintergrund zu liefern.
Brillant.
Glick konnte einfach nicht glauben, dass die BBC immer noch Reporter aussandte, um von diesem Mist zu berichten. Kein einziger amerikanischer Sender ist beute Nacht hier. Verdammt, nein! Das lag daran, dass die großen Jungs es richtig machten. Sie sahen CNN, brachten Zusammenfassungen und filmten anschließend ihren »Live«-Bericht vor einem Bluescreen, über den in der Nachbearbeitung ein Konservenvideo vom Vatikan gelegt wurde. MSNBC setzte sogar Windmaschinen und Regner im Studio ein, um den »Reporter« authentischer wirken zu lassen. Die Zuschauer interessierten sich längst nicht mehr für die Wahrheit; sie wollten Unterhaltung, weiter nichts.
Glick starrte durch die Scheibe nach draußen, und seine Depression nahm zu. Der vatikanische Berg ragte vor ihm auf eine beeindruckende Erinnerung an das, was Menschen erreichen konnten, wenn sie nur entschlossen genug ans Werk gingen.
»Was habe ich in meinem Leben erreicht?«, fragte er sich laut. »Nichts.«
»Dann gib’s endlich auf«, erwiderte eine Frauenstimme hinter ihm.
Glick zuckte zusammen. Er hatte fast vergessen, dass er nicht allein war. Er wandte sich nach hinten um, wo seine
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