Illuminati
hinunter und erreichten ein Foyer. Der Gardist tippte Kodes in zwei Tastenfelder, und sie gingen durch eine Reihe elektronischer Detektoren, bevor sie schließlich am Ende eines langen Korridors vor eine große Doppeltür aus Eiche gelangten. Der Schweizergardist blieb stehen, murmelte etwas Unverständliches und öffnete eine in die Wand neben der Tür eingelassene Metallklappe. Er tippte einen Kode auf die Tastatur dahinter, und an der Tür ertönte ein Summen.
Der Gardist öffnete die Tür und wandte sich zu ihnen um. Zum ersten Mal sprach er direkt zu ihnen. »Die Archive befinden sich hinter dieser Tür. Man hat mich instruiert, Sie bis hierher zu geleiten und anschließend zurückzukehren.«
»Sie gehen wieder?«, fragte Vittoria überrascht.
»Die Schweizergarde hat keinen Zutritt zu den Geheimarchiven. Sie beide sind nur deswegen hier, weil mein Kommandant einem direkten Befehl des Camerlengo Folge leisten muss.«
»Aber wie kommen wir wieder heraus?«
»Die Sicherheitsmaßnahmen beschränken sich auf den Zutritt. Sie werden keine Probleme haben.« Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte durch den langen Gang davon.
Vittoria murmelte einen Kommentar, doch Langdon hörte nicht mehr zu. Seine Gedanken kreisten um das, was hinter den mächtigen Doppeltüren auf ihn wartete, auf die Geheimnisse, die dort verborgen schlummerten.
47.
Obwohl die Zeit knapp war, bewegte sich Camerlengo Carlo Ventresca ohne große Eile. Er brauchte die Zeit, um sich vor dem Eröffnungsgebet zu sammeln. Es geschah so viel auf einmal. Während er in düsterer Einsamkeit durch den Nordflügel ging, spürte er die Anstrengung der vergangenen fünfzehn Tage in den Knochen.
Er war seinen heiligen Pflichten buchstabengetreu nachgekommen.
Wie es die vatikanische Tradition verlangte, hatte der Camerlengo persönlich den Tod des Papstes bestätigt, indem er einen Finger an die Halsschlagader gelegt, auf seinen Atem gelauscht und schließlich dreimal den Namen des Papstes gerufen hatte. Nach dem Gesetz gab es keine Autopsie.
Hernach hatte er das Schlafzimmer des Papstes verriegelt, den päpstlichen Fischerring und den Rohling für das Siegel zerstört und die Vorbereitungen für die Bestattung und das anschließende Konklave getroffen.
Konklave, dachte er. Die letzte Hürde. Es war eine der ältesten Traditionen des Christentums. Das Konklave wurde heutzutage häufig kritisiert, weil das Ergebnis in der Regel feststand, bevor das Konklave begonnen hatte – mehr eine Burleske als eine wirkliche Wahl. Der Camerlengo wusste, dass nur ein Mangel an Verständnis für diese Kritik verantwortlich war. Das Konklave war mehr als eine Wahl. Es war ein alter, mystischer Transfer von Macht. Die Tradition war zeitlos… die Heimlichkeit, die gefalteten Blätter, das Verbrennen der Stimmzettel, die Mischung alter Chemikalien, die Rauchsignale.
Während der Camerlengo die Loggien von Gregor XIII. durchschritt, überlegte er, ob Kardinal Mortati bereits in Panik war. Ohne Zweifel hatte der Zeremonienmeister inzwischen bemerkt, dass die vier preferiti fehlten. Ohne sie würde das Konklave die ganze Nacht andauern. Mortatis Ernennung zum Zeremonienmeister war eine gute Wahl, sagte sich der Camerlengo. Mortati war ein Freidenker und in der Lage, seine Meinung zu sagen. Heute Nacht würde das Konklave mehr denn je Führung benötigen.
Als der Camerlengo oben auf der Scala Regia angekommen war, erfüllte ihn ein Gefühl, als stünde er vor dem tiefsten Abgrund seines Lebens. Selbst von hier oben waren die Stimmen in der Sixtinischen Kapelle zu hören, die aufgeregten Unterhaltungen der einhundertfünfundsechzig Kardinale.
Einhunderteinundsechzig Kardinale, verbesserte er sich.
Einen Augenblick lang glaubte er zu fallen, tief hinunter in die Hölle, vorbei an schreienden Menschen. Flammen hüllten ihn ein, und vom Himmel regneten Blut und Steine. Dann herrschte Stille.
Als der Knabe erwachte, fand er sich im Himmel wieder. Alles ringsum war weiß. Das Licht blendete in seiner Reinheit. Obwohl ein Zehnjähriger normalerweise kaum in der Lage war, den Himmel zu verstehen, begriff der junge Carlo Ventresca sehr genau, wo er sich befand. Er war im Himmel, hier und jetzt. Wo sonst konnte er sein? Selbst in den kurzen zehn Jahren seines Lebens hatte Carlo die Herrlichkeit Gottes gespürt die donnernden Kirchenorgeln, die riesigen Kuppeln, die bewegenden Chöre, die bunten Fenster voll Bronze und Gold. Carlos Mutter
Weitere Kostenlose Bücher