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Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide

Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide

Titel: Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Shea & Robert Anton Wilson
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Wir sind jetzt Hippies und es ist die Sache, nach Mississippi zu gehen. Sind Sie jemals in Mississippi gewesen? Sie wissen, was Dr. Johnson über Schottland sagte: «Das Beste was man über dieses Land sagen kann, ist, dass Gott sich etwas dabei gedacht haben muss, als er es schuf, aber das gleiche gilt auch für die Hölle.» Vergessen Sie Mississippi, es gehört sowieso nicht in diese Geschichte. Die nächste Station war Antioch im guten alten Yellow Springs, wo ich aus Gründen, die Sie schon sehr bald erkennen werden, Mathematik studierte. Das Gras wächst dort wild auf weiten Flächen, inmitten schönster Natur. Man kann da nachts rausgehen, sich seine Wochenration von den weiblichen Pflanzen der Hanfspezies pflücken und unter dem schönsten Sternenhimmel mit einer weiblichen Vertreterin seiner eigenen Spezies schlafen, dann am nächsten Morgen mit Vögeln und Kaninchen und der ganzen verlorengegangenen Thomas Wolfe American Scene aufwachen, ein Stein, ein Blatt, eine Alice-im-Wunderland-Tür und so weiter, dann ab ins Seminar mit so einem richtig guten Gefühl bereit für Bildung. Einmal wachte ich auf, als mir eine Spinne übers Gesicht lief und ich dachte: «So, eine Spinne läuft mir übers Gesicht», und wischte sie mir vorsichtig herunter, «es ist auch ihre Welt.» In der Stadt hätte ich sie totgemacht. Was ich meine, ist, dass Antioch unheimlich groovy ist, aber das Leben dort bereitet einen nicht auf eine Rückkehr und den chemischen Krieg in Chicago vor. Nicht etwa, dass ich vor 1968 MACE kennengelernt hätte, aber ich wusste die Zeichen zu erkennen; lasst Euch von niemandem erzählen, es sei Umweltverschmutzung, Brüder und Schwestern. Es ist chemische Kriegsführung. Sie werden uns alle umbringen, wenn sie noch ein paar Dollar dabei rausschlagen können.
    Eines nachts ging ich völlig verladen nach Hause, um zu sehen, wie ich unter solchen Umständen mit Mom und Dad auskommen würde. Es war dasselbe und dennoch verschieden. Aus ihrem Mund kam Tolstoi, Bakunin aus seinem. Und plötzlich war alles wie irre und völlig geflippt, als würde Godard eine Kafka-Szene abdrehen: zwei tote Russen, die miteinander debattieren, lange nachdem sie gestorben und beerdigt waren, debattieren durch den Mund zweier irischer Radikaler in Chicago. Die jungen Vorderhirnanarchisten in der Stadt erlebten gerade ihr erstes surrealistisches Revival und ich hatte einiges von ihnen gelesen und es hatte gefunkt.
    «Ihr habt beide unrecht», sagte ich. «Freiheit wird nicht durch Liebe gewonnen werden und auch nicht durch Gewalt. Freiheit wird durch Phantasie gewonnen werden.» Ich «schrieb» alles mit Grossbuchstaben und ich war so stoned, dass sie durch den Kontakt mit mir ebenfalls stoned wurden und sie sie auch sehen konnten. Sie sperrten ihre Mäuler auf, und ich fühlte mich wie William Blake, der Tom Paine erklärte, was eigentlich gespielt wurde. Ein Ritter der Magie schwenkte meinen Zauberstab und vertrieb die Schatten der Maya
    Dad war der erste, der wieder zu sich kam. «Imagination und Phantasie», sagte er, sein breites, rotes Gesicht faltete sich in jenes Grinsen, das die Bullen jedesmal in Rage brachte, wenn sie ihn festnahmen. «Das kommt davon, wenn man die guten Söhne der Arbeiterklasse auf die Universitäten der Reichen schickt. Worte und Bücher geraten in ihren Köpfen völlig mit der Realität durcheinander. Als du in jenem Knast in Mississippi gehockt hast, bist du mit deiner Phantasie durch die Mauern gegangen, oder? Wieviel mal pro Stunde hast du dich da durch die Mauern imaginiert? Ich kann's mir vorstellen. Als ich während des General Electric-Streiks anno dreiunddreissig das erste Mal eingelocht wurde, bin ich tausendmal durch jene Mauern gegangen. Aber jedesmal, wenn ich die Augen aufmachte, waren die Mauern und Gitter noch da. Was hat mich schliesslich rausgekriegt? Was hat dich schliesslich aus Biloxi rausgekriegt? Organisation, Wenn du bei Intellektuellen mit grossen Worten um dich werfen willst, das ist ein wirklich grosses Wort, Sohn, hat genauso viele Silben wie Imagination, birgt aber ne ganze Menge mehr Realität in sich.»
    Dieser eine Vortrag, das war's, was ich am besten von ihm in Erinnerung habe, und das seltsame Blau in seinen Augen. Er starb in jenem Jahr und ich fand heraus, dass Imagination mehr Bedeutung hatte als ich dachte, denn er starb überhaupt nicht. Er ist immer noch da, irgendwo hinten in meinem Kopf, und streitet mit mir. Und das ist die Wahrheit. Auch ist's Wahrheit,

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