Illuminatus 3 - Leviathan
hiergewesen, Hagbard?» fragte Harry.
«Auf Erkundungstour. Ich kenne alle guten Lokalitäten am Ort. Heute abend werdet ihr alle meine Gäste im Ingolstädter
Schloßkeller sein.»
«Wir müssen sogar deine Gäste sein», sagte George. «Keiner von uns hat deutsches Geld in der Tasche.»
«Wenn ihr Flax habt», sagte Hagbard, «könnt ihr im Schloßkeller mit Flax bezahlen.»
Zuerst fuhren sie zum Donau-Hotel, von dem Hagbard sagte, es sei das modernste und komfortabelste Hotel in Ingolstadt; er hatte fast alle Zimmer für seine Leute reserviert. Da alle Hotels in Ingolstadt aus den Nähten zu platzen schienen, hatte es einer nicht unerheblichen Vorausbezahlung bedurft, um dieses zu bewerkstelligen. Die Hotelangestellten sprangen diensteifrig herbei, als der Auto-Konvoi mit Hagbards Bugatti an der Spitze vorfuhr. Selbst in einer Stadt, die in diesen Tagen von Berühmtheiten wimmelte, die von superreichen Rockstars und wohlhabenden Rockfans aus aller Welt überrannt wurde, verlangte das Auftreten eines Hagbard Celine und seiner Entourage größten Respekt.
George, der sich den anderen voran mit Hagbard in die Hotelhalle begeben hatte, fand sich auf einmal von Angesicht zu Angesicht mit zwei altersgebeugten Deutschen. Der eine, mit langem weißem Schnurrbart und einer weißen Haarsträhne in der Stirn, sagte in gebrochenem Englisch: « Geh mir aus dem Weg, du degenerierter jüdisch-kommunistischer Homo.» Der andere Alte zuckte zusammen und redete auf den ersten mit leiser Stimme beschwichtigend ein. Der erste machte eine verächtliche Handbewegung und sie zottelten gemeinsam zum Lift hinüber. Ein paar weitere alte Männer schlossen sich ihnen an und George sah ihnen viel zu überrascht, um sich ärgern zu können, nach. Hier ist also das Vaterland solch einer Mentalität. Der Haß dieses Alten erschien George als eine historische Kuriosität, nichts weiter. Diese Männer hatten Hitler zweifellos in Fleisch und Blut erlebt.
Mit einer imposanten Geste nahm Hagbard eine Handvoll Zimmerschlüssel entgegen. «Der Einfachheit halber habe ich für jedes Zimmer einen Mann und eine Frau vorgesehen», sagte er, indem er sie verteilte. «Wählt eure Zimmergenossen und wechselt sie nach Belieben aus. In euren Zimmern werdet ihr passende bayrische Bauerntrachten auf dem Bett ausgebreitet finden. Zieht sie an.»
Stella und George begaben sich gemeinsam nach oben. George schloß die Tür auf und nahm das große Zimmer mit seinen zwei Doppelbetten in Augenschein. Auf einem Bett lagen Lederhosen, Seidenhemd und Kniestrümpfe für ihn, auf dem anderen die entsprechende Damenbekleidung, ein Bauernrock, eine Bluse und die dazugehörige Jacke.
«Trachten ...» sagte Stella. «Hagbard ist wirklich verrückt.» Sie schloß die Tür und öffnete den Reißverschluß ihres einteiligen goldenen Strickanzugs. Darunter trug sie nichts. Als George sie bewundernd betrachtete, lächelte sie.
Als sich die ganze Gruppe später wieder in der Halle zusammenfand, sah eigentlich nur Stella in der neuen Kleidung gut aus. Von den Männern war es nur Hagbard, der in Lederhosen glücklich und zufrieden aussah — vielleicht war das der Grund, dem die Idee, sich so zu kleiden, entsprungen war. Der schlaksige dünne Harry Coin sah lächerlich aus und er fühlte sich offensichtlich nicht sehr wohl, obwohl sein breites Grinsen verriet, daß er sich alle Mühe gab, guter Laune zu sein.
George sah sich um. «Wo ist Mavis?» fragte er Hagbard.
« Sie ist nicht mitgekommen. Sie hütet den Laden unter Wasser.» Hagbard hob gebieterisch einen Arm. «Auf in den Schloßkeller!»
Das Ingolstädter Schloß, ein mit Zinnen versehenes mittelalterliches Bauwerk, auf einem die Stadt überblickenden Hügel errichtet, barg ein ausgezeichnetes Restaurant, in Räumlichkeiten untergebracht, die früher einmal als Verlies oder Weinkeller oder beides gedient haben mochten. Hagbard hatte den ganzen Keller für diesen Abend gemietet.
« Hier », sagte er, « werden wir alle Kräfte um uns sammeln, uns einen vergnügten Abend machen und uns auf den morgigen Tag vorbereiten.» Er schien sich in einer übermütigen, fast trunkenen Stimmung zu befinden. Er nahm seinen Platz in der Mitte des riesigen Tisches, in einem schwarzgebeizten, mit Schnitzereien versehenen Stuhl ein, der wie ein Bischofsstuhl aussah. An der Wand hinter ihm hing ein berühmtes Gemälde. Es zeigte den heiligen Kaiser Heinrich IV., barfuß im Schnee vor Canossa, aber mit einem Fuß im Nacken von Papst
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