Illuminatus 3 - Leviathan
einen Finger. «Joe, du hast mir etwas verheimlicht. Du wärst jetzt nicht hier, hättest du nicht viel mehr gewußt als du zugabst, bevor du mich nach Mad Dog sandtest. Vielleicht kann dir der gute alte Hagbard erzählen, was ich alles gemacht habe. Der gute alte Hagbard, sieh mal, wie er dasitzt und zu uns herübersieht. Was sagst du, Hagbard? Kennst du den guten alten Joe Malik?»
Hagbard hob seinen gewaltigen, reich verzierten Bierkrug, den die Geschäftsleitung des Schloßkellers ihm als Ehrengast hingestellt hatte. Der Krug war über und über mit sorgfältig ausgeführten Reliefarbeiten bedeckt, in denen heidnische Waldszenen dargestellt waren; man sah pralle Satyre drallen Nymphen nachstellen.
«Wie geht's, Malik?» rief Hagbard.
«Gut, Hagbard, unheimlich gut», sagte Joe. «Wir werden die Welt retten, stimmt's, Joe?» rief Hagbard. «Die Welt retten, stimmt's ?»
«Bei Jesus Christus», sagte George. Er hob zu singen an:
Ich trag den Frieden jenseits allen Verstehens Tief in meinem Herzen, Tief in meinem Herzen, Tief in meinem Herzen, Ich trag den Frieden jenseits allen Verstehens Tief in meinem Herzen, Tief in meinem Herzen ... drin ...!
Hagbard und Stella applaudierten lachend. Harry Coin schüttelte den Kopf und knurrte: «Das bringt mich ganz schön zurück. Und wie mich das zurückbringt... »
Joe entfernte sich ein paar Schritte von George, um Hagbard über den Tisch hinweg besser sehen zu können. «Was meinst du damit: ?»
Hagbard sah ihn mit offenem Mund erstaunt an. «Wenn du das nicht weißt, warum bist du dann hier?»
«Ich will's nur noch mal hören ... wir werden die Welt retten, aber retten wir auch die Menschen ?»
«Welche Menschen ?»
« Die Menschen, die auf dieser Welt leben.»
«Ach, diese Menschen ... » sagte Hagbard. «Klar, sicher, wir werden jeden retten.»
Stella runzelte die Stirn. «Das ist so ungefähr die blödeste Unterhaltung, die ich jemals mitgekriegt habe.»
Hagbard zuckte die Achseln. « Stella, Liebling, warum gehst du nicht auf die Leif Eriksson zurück ?»
«Leck mich am Arsch, Charley», sagte Stella, stand auf und ging mit wehendem Bauernrock zur Tür hinaus.
In diesem Moment klopfte ein kleiner schielender Mann Joe auf die Schulter und sagte: «Setz dich, Joe. Laß uns was trinken. Setz dich zu George und mir.»
«Ich hab dich doch schon mal gesehen», sagte Joe.
«Kann sein. Komm her und setz dich. Laß uns von diesem fantastischen bayrischen Bier trinken. Es ist von größter Reinheit. Hast du's schon mal gekostet? Ober!» Der Neuankömmling schnippte dabei ungeduldig mit den Fingern, während er Joe durch Brillengläser, dick wie der Boden von Bierflaschen, eulenhaft anstarrte. Joe ließ sich zu einem freien Stuhl geleiten.
« Du siehst haargenau wie Jean-Paul Sartre aus», sagte Joe, indem er sich setzte. «Jean-Paul Sartre wollte ich schon immer mal kennenlernen.»
«Tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muß, Joe», sagte der Mann. « Führe deine Hand in meine Seite.»
«Mal, Baby! » rief Joe und versuchte die Erscheinung zu umarmen, was darin endete, daß er sich selbst umarmte, während George mit trunkenen Augen zusah und den Kopf schüttelte. «Was bin ich froh, dich hier zu sehen», fuhr Joe fort. «Aber wie kommt's, daß du nach dem behaarten Taxi-Chauffeur jetzt als Jean-Paul Sartre auftrittst?»
«Das ist halt eine gute Verkleidung», sagte Malaclypse. «Mit Jean-Paul Sartre würden die Leute hier schon eher rechnen, als mit einem Reporter, der die Ingolstädter Ereignisse vom existentia-listischen Standpunkt aus beschreibt. Auf der anderen Seite befinden wir uns hier im Lon Chaney Jr.-Land, und würde ich hier als Sylvan Martiset mit einem von Fell überzogenen Gesicht aufkreuzen, hätte ich eine ganze Horde von Bauern hinter mir her, die die ganze Stadt mit Fackeln nach mir absuchen würden.»
«Ich habe heute einen Chauffeur mit fellbedecktem Gesicht ge-sehen », sagte George, « glauben Sie wirklich, das war Eon Chaney Jr.?»
«Mach dir keine Sorgen, George», sagte Malaclypse lächelnd. «Die haarigen Leute sind auf deiner Seite.»
«Wirklich ?» sagte Joe. Er sah sich um. Hagbard Celine war der am meisten Behaarte am Tisch. Seine Finger, Hände und Unterarme waren schwarz von Haaren. Sein Bartansatz reichte ihm bis unter die Augen. Hagbards Haarwuchs hörte im Nacken nicht auf, sondern setzte sich in den Kragen hinein fort. Ausgezogen muß dieser Mann wie ein Grizzlybär aussehen, dachte Joe.
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