Illusionen
verstehen.
»Bitte machen Sie sich's gemütlich«, sagte ich. »Womit können wir Ihnen dienen?« In Wahrheit fühlte ich mich gar nicht so hilfsbereit, aber er erschien mir so scheu und zurückhaltend, daß ich ihm gern aus seiner Verlegenheit herausgeholfen hätte.
Er sah mich mit einem verzweifelten Lächeln an, das mir das Blut in den Adern stocken ließ. »Ja, Sie können mir helfen. Ich brauche es sehr dringend, sonst würde ich Sie nicht darum bitten. Darf ich Ihr Blut trinken? Nur einen Schluck? Es ist meine Nahrung, ich muß Menschenblut haben, sonst...«
Kann sein, daß es der fremdländische Akzent war oder daß sein Englisch nicht ausreichte und daß ich ihn nicht verstand... jedenfalls war ich mit Windeseile auf den Beinen. Strohhalme stoben ins Feuer, so schnell hatte ich mich bewegt.
Der Mann machte einen Schritt zurück. Ich bin zwar im allgemeinen harmlos, aber ich bin nicht gerade klein geraten und könnte wohl bedrohlich ausgesehen haben. Er wandte den Kopf zur Seite.
»Mein Herr, es tut mir leid, es tut mir wirklich leid! Bitte vergessen Sie, daß ich irgend etwas über Blut gesagt habe! Aber sehen Sie...«
»Was wollen Sie andeuten?« Ich war nun um so wütender, weil ich Angst hatte. »Was zum Teufel wollen Sie andeuten? Ich weiß nicht, was Sie sind, sind Sie vielleicht eine Art V AM ...?«
Shimoda fiel mir ins Wort, ehe ich zu Ende sprechen konnte. »Richard, unser Gast hat gerade etwas gesagt. Du hast ihn unterbrochen. Sprechen Sie weiter, Sir, mein Freund ist etwas zu hastig.«
»Donald«, sagte ich, »dieser Kerl...«
»Halt den Mund!«
Ich war so überrascht, daß ich den Mund hielt und den Mann, der dort aus dem Dunkeln in unseren Feuerschein gekommen war, nur erschreckt und fragend anstarrte.
»Bitte zu verstehen. Ich habe nicht gewählt Vampirdasein. Ist bedauerlich. Ich habe nicht viel Freunde. Aber ich muß ein gewisses Quantum frisches Blut jede Nacht bekommen, sonst muß ich ganz schreckliche Schmerzen erleiden. Wenn ich längere Zeit ohne Blut bin, kann ich nicht leben! Bitte, lassen Sie mich nicht so sehr leiden, ich werde sterben, wenn Sie mir nicht erlauben, Ihr Blut zu trinken... nur ein wenig. Mehr als einen halben Liter brauche ich nicht.«
Er machte einen Schritt auf mich zu. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Anscheinend vermutete er, daß ich Shimoda hörig war und dieser mich gefügig machen würde. »Noch einen Schritt, und es fließt tatsächlich Blut, Mann! Wenn Sie mich anfassen, bringe ich Sie um...« Natürlich würde ich ihn nicht umgebracht haben, aber ich wollte ihn mindestens fesseln, ehe wir weitersprachen.
Das mußte gesessen haben, denn er war stehengeblieben und seufzte. Dann wandte er sich an Shimoda. »Hat das Ihren Zweck erfüllt?«
»Glaub schon. Danke!«
Der Vampir sah zu mir auf und lächelte gelassen. Anscheinend war er belustigt und zufrieden wie ein Schauspieler, der seine Rolle überzeugend dargestellt hat. »Nein, Richard«, sagte er, und der Akzent war plötzlich ganz weg, »ich werde dein Blut nicht saugen.« Und vor meinen Augen verblaßte er, als hätte er sein eigenes Licht ausgeschaltet... In fünf Sekunden war er verschwunden.
Shimoda setzte sich wieder ans Feuer. »Bin ich aber froh darüber, daß du nicht meinst, was du sagst.«
Das Adrenalin in meinen Adern ließ mich noch immer erzittern, denn ich war bereit gewesen, es mit dem Ungeheuer aufzunehmen. »Don, das ist nichts für mich. Vielleicht erklärst du mir, was hier vorgeht. Zum Beispiel, was... was war das?« »Ein Vampir aus Siebenbürgen war das«, entgegnete er und ließ seine Stimme noch fremdländischer klingen als die der Kreatur. »Oder besser: die Verkörperung eines Vampirs aus Siebenbürgen. Es ist ganz einfach: Jedesmal, wenn man etwas klarmachen will, wenn man meint, der andere hört nicht zu, braucht man nur einen Gedanken zu verkörpern. Im Handumdrehen hat man demonstriert, was man meint. Glaubst du, ich hätte eben etwas übertrieben, mit dem Cape, den Eckzähnen und diesem Akzent? War er für dich allzu erschreckend?« »Das Cape war Klasse, Don. Aber es war die primitivste, groteskeste Klischeevorstellung... Nein, ich hatte kein bißchen Angst.«
Er seufzte. »Gut. Aber du verstehst mich zumindest, und darauf kommt es an.«
»Verstehe was?«
»Richard, deine Aggression dem Vampir gegenüber war der Beweis für das, was du im Sinn hattest, obwohl du wußtest, daß du damit einem anderen weh tun würdest. Er hat dir sogar erklärt, er
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