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Illusionen

Illusionen

Titel: Illusionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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und übte sich im Auftanken. »Gewiß nicht. Kannst du mir jemanden nennen, der es tut?«
    »Was heißt das, kann ich dir jemanden nennen? I CH ! Ich lebe in dieser Welt.«
    »Ausgezeichnet«, erwiderte er, als hätte ich aufgrund einer unabhängig gewonnenen Erkenntnis ein verborgenes Rätsel gelöst. »Erinnere mich daran, dich heute zum Mittag einzuladen .. . Großartig, wie du nicht aufhörst zu lernen.«
    Was mochte das wohl bedeuten? Er klang weder sarkastisch noch ironisch, er meinte genau das, was er gesagt hatte.
    »Was meinst du? Selbstverständlich lebe ich in dieser Welt. Zusammen mit etwa vier Milliarden von Mitmenschen. Du bist es, der...«
    »O Gott, Richard! Du meinst es tatsächlich im Ernst! Aus dem Mittagessen wird nichts. Kein Hamburger, kein Milkshake, überhaupt nichts! Ich hatte geglaubt, du hättest endlich dieses erhabene Wissen erlangt...« Er brach ab und blickte mit einer Mischung aus Zorn und Mitleid auf mich herunter. »Du bist so sicher, ja? Du meinst, du lebst in derselben Welt wie... ein Börsenmakler zum Beispiel? Dein Leben ist gerade völlig auf den Kopf gestellt und verändert worden durch den neuesten Beschluß der Securities and Exchange Commission, wonach die Prüfung von Portefeuilles mit mehr als fünfzig Prozent Anlagenverluste der Aktionäre obligatorisch geworden ist? Du lebst in derselben Welt wie ein Schachmeister, ja? Du machst mit bei den offenen Wettkämpfen in New York diese Woche, mit Petrosian und Fischer und Browne in Manhattan, um den Preis von einer halben Million Dollar? Was hast du auf einer Kuhweide in Maitland im Bundesstaat Ohio verloren? Du mit deinem antiquierten Doppeldecker auf einem Feld, du, dessen Hauptanliegen die Einholung der Erlaubnis des Farmers, die Zehnminuten-Rundflüge, die Wartung eines Kinnermotors und eine tödliche Angst vor Hagelstürmen sind... Wie viele Menschen, glaubst du, leben in deiner Welt? Du behauptest, es seien vier Milliarden? Willst du mir weismachen, du dort unten auf der Erde, daß vier Milliarden Menschen etwa nicht in vier Milliarden separater Welten lebten?« Er keuchte von dem schnellen Reden.
    »Und ich konnte den Hamburger fast schmecken und die Scheibe Käse darauf«, sagte ich.
    »Es tut mir leid. Ich hätte ihn dir wirklich gern spendiert. Aber das ist nun vorbei und sollte tunlichst vergessen werden.«
    Es war zwar das letztemal, daß ich ihm vorgeworfen hatte, nicht in dieser Welt zu leben, aber ich brauchte lange dazu, die Worte zu begreifen, die im Leitfaden auf der aufgeschlagenen Seite standen:
     
    Wenn du dich eine Weile darin übst,
    nur in der Phantasie zu leben,
    wirst du begreifen, daß
    Phantasiepersonen manchmal
    wirklicher sind als Menschen
    aus Fleisch und Blut.

 
13. Kapitel
     
    Dein Gewissen ist das Maß
    der Aufrichtigkeit deiner Selbstsucht.
    Höre darauf.
     
    »Es steht uns allen frei, zu tun, was auch immer wir tun wollen«, sagte Donald an jenem Abend. »Ist das nicht einfach und sauber und eindeutig? Wäre das nicht das Gegebene, um ein Universum zu regieren?«
    »Fast. Aber du hast etwas ziemlich Wichtiges unberücksichtigt gelassen«, entgegnete ich.
    »So?«
    »Solange wir damit keinem anderen weh tun«, sagte ich vorwurfsvoll. »Ich weiß, daß du es so gemeint hast, aber du solltest auch sagen, was du meinst.«
    Auf einmal raschelte es im Dunkeln, und ich fuhr herum. »Hast du das gehört?«
    »Hmm. Klingt tatsächlich, als ob da jemand ist...« Er stand auf und ging ins Dunkel. Dann hörte ich ihn plötzlich lachen und einen Namen nennen, den ich nicht mitbekam. »Ist in Ordnung«, sagte er, »nein, wir freuen uns, wenn Sie kommen... Sie brauchen hier nicht sitzen zu bleiben... kommen Sie doch, Sie sind uns wirklich willkommen.«
    Die Stimme hatte einen schweren Akzent, nicht eigentlich russisch und auch nicht tschechisch, eher siebenbürgisch. »Danke sehrr. Ich will Ihr abendliches Zusammensein nicht stören...«
    Der Mann, den er an unser Feuer brachte, war... nun... eine ungewöhnliche Erscheinung, der man nicht alle Tage im Mittelwesten Amerikas begegnet. Ein kleiner, magerer, wölfisch aussehender Kerl, Furcht einflößend, in einem Abendanzug und einem mit roter Seide abgefütterten Cape. Der Lichtschein störte ihn offenbar.
    »Ich kam gerade vorbei«, sagte er. »Über das Feld führt eine Abkürzung zu meinem Haus...«
    »Tatsächlich?« Shimoda glaubte dem Mann wohl nicht, gab sich aber trotzdem Mühe, nicht laut herauszuplatzen. Ich hoffte, ebenfalls bald zu

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