Illusionen
das Problem bei Gehen oder bei Wände!«
»Bei beiden und noch schlimmer. Die Frage setzt voraus, daß ich in einer begrenzten Raum-Zeit existiere und in eine andere Raum-Zeit überwechsle. Heute ist mir aber nicht danach, mich deinen Annahmen über mich anzuschließen.«
Ich zog die Stirn in Falten. Er wußte genau, was ich wissen wollte. Warum antwortete er mir nicht einfach und ließ mich dann weiterforschen?
»Es ist nun mal meine Methode, dir präzises Denken beizubringen«, sagte er sanft.
»Gut. Du kannst es so erscheinen lassen, als ob du durch Wände gehen könntest? Ist dies eine bessere Frage?«
»Ja. Besser schon. Aber wenn du es ganz präzise sagen möchtest...«
»Bitte sag's mir nicht. Ich weiß mich durchaus klar auszudrücken. Also hier ist meine Frage: Wie kommt es, daß du die Illusion eines begrenzten Identitätsgefühls, das sich in dem Glauben an ein raumzeitliches Kontinuum, deinen >Körper<, manifestiert, durch die Illusion eines dinglichen Widerstandes, genannt >Wand<, hindurchbewegen kannst?«
»Ausgezeichnet!« rief er. »Wenn du deine Frage korrekt vorbringst und formulierst, beantwortet sie sich von selbst, nicht wahr?«
»Nein, die Frage hat sich keineswegs beantwortet. Wie bringst du es fertig, durch Wände zu gehen?«
»R ichard ! D u hattest es beinahe geschafft, und jetzt hast du es völlig verdorben! Ich kann nicht durch Wände gehen...
Wenn du das so sagst, setzt du Dinge voraus, die ich absolut nicht voraussetze. Wenn ich sie so voraussetze, wäre die Antwort: >Ich kann es nicht.<«
»Aber es ist so schwierig, alles und jedes genau zu formulieren, Don. Verstehst du denn nicht, was ich meine?« »Nur weil es schwierig ist, schreckst du davor zurück? Anfangs war auch das Gehenlernen schwierig; du hast es gemeistert. Jetzt ist es ganz einfach.«
Ich seufzte. »Klar. Stimmt. Vergiß meine Frage.«
»Ich werde sie vergessen. Aber meine Frage ist: Kannst du es?« Dabei sah er mich an, als kümmerte ihn nichts auf dieser Welt.
»Du behauptest, Körper sei Illusion, Wand sei Illusion, Identität jedoch sei Wirklichkeit und ließe sich nicht durch Illusionen einengen.«
»Das sind nicht meine Worte, es sind deine.«
»Es stimmt aber.«
»Natürlich«, sagte er.
»Wie machst du es also?«
»Richard, man macht gar nichts. Du stellst dir vor, daß es bereits getan ist, und es existiert.«
»Mein Gott, wie einfach das klingt.«
»So einfach wie gehen. Du kannst dir nicht vorstellen, daß du es einst recht mühselig lernen mußtest.«
»Don, durch die Wand gehen muß ich jetzt nicht etwa mühselig lernen. Es ist unmöglich.«
»Du meinst wohl, daß dir die Dinge, wenn du immer wieder, ja tausendmal unmöglich sagst, plötzlich leichter werden?« »Verzeih mir. Es ist möglich, und ich werde es tun, wenn meine Zeit gekommen ist.«
»Er wandelt auf dem Wasser, liebe Leute, aber er ist untröstlich, weil er nicht durch Wände gehen kann.«
»Aber das war leicht, dies ist. . .«
»Führe deine Unzulänglichkeiten ins Feld, und ehe du dich's versiehst, verbleiben sie dir«, sang er. »Hast du nicht erst vor einer Woche in der Erde schwimmen können?«
»Das stimmt.«
»Ist eine Wand nicht einfach senkrechte Erde? Ist es so wichtig, in welcher Richtung die Illusion verläuft? Horizontale Illusionen lassen sich meistern, senkrechte nicht?«
»Ich glaube, ich begreife dich allmählich, Don.«
Er sah mich an und lächelte. »Immer wenn ich mich dir verständlich machen kann, ist es an der Zeit, dich eine Weile dir selbst zu überlassen.«
Das letzte Gebäude der Stadt war ein Getreidespeicher, ein großer Bau aus orangefarbenen Ziegeln. Es schien, als hätte Don sich plötzlich entschlossen, eine nur ihm bekannte Abkürzung zu nehmen. Die Abkürzung ging durch die Ziegelmauer. Unvermittelt bog er rechts ab, ging auf die Mauer zu und war verschwunden. Heute meine ich, daß ich, wäre ich sofort mit ihm abgebogen, ebenfalls durch die Wand gegangen wäre. Aber statt dessen blieb ich wie angewurzelt mitten auf der Straße stehen und starrte auf den Fleck, wo er gewesen war. Als ich die Hand ausstreckte, um die Ziegel zu berühren, waren sie feste Ziegel.
»Eines Tages, Donald«, sagte ich, »eines Tages...« Allein ging ich den langen Weg zu den Flugzeugen zurück.
»Donald«, sagte ich, als ich wieder auf unsere Weide kam, »ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß du wirklich nicht in dieser Welt lebst.«
Erstaunt sah er mich an. Er saß auf seinem oberen Tragflügel
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