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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tiger-Penisse. Dazu von unvorstellbarem Wert … Beweismaterial, gut, das schon, aber …
    Gerade als sie die Dosen vorsichtig ins Fach zurückschob, hörte sie ein Geräusch. An Deck? In der Kabine?
    Vielleicht hatte sie sich getäuscht … Nein. Wieder … Ein dumpfes Poltern. Und etwas, das wie – der Schrei einer menschlichen Stimme klang.
    Sie warf die Kamera in die Tasche und öffnete die Tür. »Tan?« …
    Keine Antwort. Die Kabine lag leer wie zuvor. Die schwache Lampe hinter ihrem Schutzgitter aus Metall in der Ecke warf lange Schatten.
    »Tan, was ist?« Sie flüsterte. In den letzten zwei Jahren hatte Maya gelernt, mit der Angst umzugehen. Sie ließ sie nicht hochkommen. Sie atmete ruhig und langsam. Ihre Hand umschloß den Griff der Pistole in ihrem Gürtel. Irgend etwas stimmte nicht. Eine Polizeistreife würde sich bemerkbar machen. Aber diese Stille? …
    Ihr Daumen schob den Sicherungshebel zurück. Das dämliche Ding verschoß nur Gas, aber es konnte trotzdem hilfreich sein. Eine echte Pistole in diesem Singapurer Polizei-Staat herumzuschleppen, war viel zu gefährlich.
    Durch die geöffnete Tür sah sie das offene Deck des Sampans. Eine leichte Lasur bläulichen Lichts lag darauf. Und rechts am Heck, den Kopf zur Seite gedrückt, die Arme ausgebreitet – Tan? Tan mußte es sein … Er lag neben dem Kistenstapel. Er rührte sich nicht. Tot … Oder sie hatten ihn niedergeschlagen …
    Es hatte keinen Sinn, länger zu warten. Sie hob die Pistole und war draußen. Sie hatte es geahnt. Und sah ihn auch, in einem winzigen, aufsplitternden Zeitbruchteil. Den Rücken an die offene Tür gelehnt, hatte er sie erwartet, ein Schatten, der sich zum Sprung abduckte. Sie warf sich zur Seite und rollte sich ab, um dem langen baseballschlägerähnlichen Rundholz zu entgehen, mit dem er nach ihr schlug. Das Ding wischte so nah über Mayas Schulter und Hals, daß sie den Luftzug spürte. Sie ließ die Pistole fallen, doch ihr ›Ta-Kae‹ erwischte ihn am Hals. Mit einem derartigen Schlag werden wenige fertig. Dieser Mann jedenfalls nicht. Er grunzte, ging zu Boden, versuchte aus seiner Kauerstellung hochzukommen, stöhnte wieder und streckte sich zur Seite.
    »Tan!«
    Sie lief zum Heck, beugte sich über ihn, drückte die Fingerspitzen gegen die Halsschlagader und fühlte erleichtert den Schlag seines Pulses. Er ging etwas schnell, war aber kräftig. Sie tastete durch das schweißnasse Haar. Hier, am Hinterkopf, eine Beule. Blut sickerte über den Hals und klebte an ihrer Hand.
    Sie wischte die Finger an den Deckplanken sauber. An der Kabinenwand gab es ein Wasserventil. Daneben hing eine Schüssel. Sie ließ sie halb voll laufen, ging zurück und schüttete Tan Wasser ins Gesicht. Er prustete, stöhnte, setzte sich auf.
    »Was ist?«
    Sie ließ ihm Zeit, richtig wach zu werden, und kümmerte sich um den Rundholz-Schläger. Er schien jung, keine dreißig. Er trug die weiten, leichten, knöchellangen Baumwollhosen, die die Fischer und Kulis tragen. Sein Hemd hatte sich hochgeschoben, und in dem klaren, bläulichen Mondlicht sah sie die Tätowierungen, die den muskelbepackten Oberkörper überzogen. Gut, daß du ihn gleich erwischt hast. Eine zweite Chance konnte man diesem Orang Utan nicht geben.
    Tans Boot hing noch immer dort vertäut, wo er es festgemacht hatte. Am Heck aber, an einem der Eisenhaken, hing ein zweites Boot: Flach, kiellos, wie eine Schachtel, aus grobem, starkem Teak zusammengezimmert und mit einem mächtigen Johnson-Außenborder versehen, einen jener Holzsärge, die die Chinesen benutzen, um wie die Teufel über das Wasser rasen zu können. Die beiden Ruder hingen in den Dollen. Wahrscheinlich hatte er die letzte Strecke damit zurückgelegt, um sich geräuschlos zu nähern, was wiederum erklärte, wieso er Tan hatte überraschen können.
    Sie ging zu Tan zurück und wollte ihn an den Schultern hochziehen. Er wehrte ihre Hand ab, stand auf und schüttelte den Kopf wie ein Boxer nach einem K.o.-Schlag. Aber er stand.
    »Los! Wir müssen weg.«
    Sie half ihm ins Boot, sprang nach und wollte sich ans Steuer setzen. »Herrgott, ich weiß noch nicht einmal, wo der blöde Starter ist.«
    Tan schob sie zur Seite und setzte sich hinters Steuer. Er drehte den Kopf, verzog das Gesicht zu einem Grinsen und ließ den Motor anlaufen.
    »Langsam«, sagte sie. »Langsam und so leise als möglich.«
    Er drosselte. Dort drüben lag die Hyundai-Werft. Und daneben der alte Lagerhallen-Komplex, von dem sie gekommen

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