Im Auge des Feuers
Eingangshalle sitzen. Sie hatte die Füße mit übertriebener Sorgfalt platziert, beide eng zusammengestellt, als posiere sie für ein offizielles Porträt. Dünne Strümpfe und hohe Absätze. Eira fragte sich wirklich, wie man auf die Idee kommen konnte, sich an einem Oktobertag im äußersten Norden so zu kleiden.
»Sie sind Aslak Eira«, stellte sie beim Aufstehen ohne weitere Fragen fest, obwohl er hätte schwören können, dass er sie noch nie zuvor getroffen hatte.
Ihm war klar, dass ihm sein Ruf vorausgeeilt war: ›Schauen Sie nach einem samischen Mann in den Vierzigern mit etwas zu langem, sandfarbenem Haar, gerader Nase und energischem Mund.‹ ›Netter Kerl‹, hätte er selbst gern hinzugefügt, aber er wusste nicht, ob sein Ruf dies erlaubte.
Eira räusperte sich. »Stimmt.«
Sie reichte ihm die Hand. »Gunhild Wikan. Ich habe es vorgezogen, hier unten zu warten. Sie wollten mit mir sprechen?« In diesem Moment fuhr ein Schneeräumer lärmend am Fenster vorbei, seine schwere Schaufel schabte grob und hart die Bordsteinkante entlang.
Ihre Hand war so schmal, dass er sich kaum traute, sie zu drücken. Gunhilds Griff war überraschend fest. Der Blick, den sie ihm aus ihren blauen Augen zuwarf, hatte eine Intensität, die ihn zu Boden sehen ließ. In ihren Bewegungen wirkte sie angespannt.
Eira geleitete sie die Treppe hinauf, schloss die Tür auf und nahm, ohne zu fragen, zwei Tassen Kaffee mit ins Büro.
Sie griff nach der Tasse und trank begierig. »Ich brauchte wirklich etwas, um mich aufzuwärmen. Ich hatte ganz vergessen, wie eisig der Wind hier im Norden sein kann.«
»Ich möchte Ihnen gerne einige Fragen stellen.« Mona Lies Andeutungen hinsichtlich seiner mangelnden Fähigkeit, ein Gespräch einzuleiten, fielen ihm ein. Gunhild stand ganz oben auf der Liste der Personen, mit denen er sprechen wollte. Sie war selten in der Pension erreichbar gewesen und ging nicht an ihr Handy. Jetzt war sie endlich da.
Sie schien allerdings nicht die Absicht zu haben, es ihm leicht zu machen. Die blauen Augen musterten ihn, ihr Mund bekam einen entschlossenen Zug, noch bevor sie auch nur ein einziges Wort geäußert hatte. Eira nahm an, dass sie gerade einen Gedanken formulierte. Er fühlte sich plötzlich, als hätten sie die Plätze getauscht und als sei er derjenige, der ausgeforscht wurde.
»Haben Sie eine Frau, Eira?«
»Nein.«
»Na also.« Ihre ungewöhnlich scharfen Augen schienen ihn zu durchbohren. »Außerdem glaube ich, dass Sie mindestens zwanzig Jahre zu spät geboren sind, um das voll und ganz zu verstehen.«
»Entschuldigung?« Eira sammelte sich nach dieser überraschenden Einleitung und sah verstohlen auf die Uhr. Wie weit wollte sie vom Thema abschweifen? »Ich fürchte, ich kann jetzt nicht ganz folgen.«
»Klatsch und Verleumdungen«, sagte sie mit einer neuen Härte in der Stimme. »Die Boshaftigkeit anderer Menschen. Über deren Reichweite ist man sich nicht im Klaren, wenn man es nicht am eigenen Leib erfahren hat. Als ich in Ihrem Alter war, war Tratschen eine Art Volkssport.«
Eira war durchaus der Meinung, dass er ein wenig über derlei Dinge Bescheid wusste, verspürte jedoch nicht das Bedürfnis, das mit ihr zu diskutieren. »Warum sind Sie gerade jetzt in der Stadt?«
»Zufällig, Eira. Ich wohne in Spanien direkt neben einer Siedlung norwegischer Rentner. Ich höre die Sprache und fühle die Sehnsucht nach dem Land. Norwegen ist immer noch meine Heimat, auch wenn ich schon lange ausgewandert bin. Es war höchste Zeit, die heimischen Gefilde wiederzusehen. Auch meine Uhr tickt, und jetzt bin ich noch gesund und munter. Unglaublich, wie sich alles verändert hat, man fühlt sich fast fremd. Wie dem auch sei«, sie zögerte und nahm einen weiteren Schluck Kaffee, »als ich vor kurzem gelesen habe, dass die Polizei die alte Geschichte von 1969 wieder hervorgekramt hat, ahnte ich, dass es in diesem Zusammenhang Spekulationen, Unwahrheiten und Lügen geben würde. Und dass ich recht schnell da hineingezogen würde.«
»Wann sind Sie hier angekommen?«
»Vor mehr als drei Wochen.«
»Vor Karl Fjelds Auftauchen?«
Sie nickte.
»Aber nach dem Tod seines Vaters Andreas?«
Sie nickte erneut.
»Haben Sie Karl Fjeld hier getroffen?«
»Nein.« Ihre Hände umklammerten die Handschuhe. Eira sah, dass ihre Knöchel weiß wurden. »Mein Mann ist in diesem Bau verbrannt, mein Sohn ist da drinnen beinahe ums Leben gekommen und für die ganze Stadt stand fest, dass ich eine
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