Im Auge des Feuers
verblüfft. »Hätte ich es gewusst, hätte ich wohl die Polizei benachrichtigt, als er nicht wieder auftauchte, oder?«
»Das war keine klare Antwort auf meine Frage.«
Sie beugte sich vor. »Karl Fjeld hat keiner Menschenseele erzählt, dass er vorhatte, sich in jener Nacht davonzumachen. Warum in aller Welt hätte er es mir erzählen sollen?«
»Hat er?«
»Nein.« Es klang wie ein Peitschenknall.
Im nächsten Moment lächelte Gunhild Wikan Eira betont herzlich an. Sie war offenbar launisch. Ihre Stimmung konnte sich innerhalb von Sekunden ändern. Eira stellte wieder fest, dass sie einmal eine ungewöhnlich charmante Frau gewesen sein musste. Zweifellos eine, die einen Mann um den Verstand bringen konnte. Aber jetzt nicht mehr. Und ihn schon gar nicht. Ihr allzu aufgesetztes Lächeln brachte ihn bloß dazu, sich zu fragen, was sie ihm nicht erzählt hatte.
Kapitel 45
Nachdem Gunhild Wikan gegangen war, holte Eira die vergilbte Pappmappe aus seiner Schreibtischschublade.
Vernehmung von Gunhild Wikan, 19. Mai 1969.
Anwesend: Staatsanwalt Berntsen, Chefermittler Haugen und Kriminalhauptkommissar Nilsen.
Wo waren Sie in der Nacht zum 14. Mai zwischen 24 und 8 Uhr?
Ich war zu Hause. Zu dieser Zeit habe ich geschlafen.
War Ihr Mann zu Hause?
Er ist am frühen Abend zur Arbeit gegangen. Überstunden.
Ich legte mich schlafen, bevor er zurück war. Bevor er zurück sein sollte, meine ich.
Die Sirenen des Zivilschutzes weckten die Stadt um 4 Uhr. Ihr Mann war um diese Zeit noch immer nicht zu Hause. Was taten Sie da?
Ich bin von den Sirenen gar nicht wach geworden.
Sie haben die ganze Nacht ohne Unterbrechung geschlafen?
Ja. Mir ging es an jenem Tag nicht so gut.
War Ihnen klar, dass Ihr Sohn nicht zu Hause war?
Sverre war unterwegs, als ich mich hingelegt habe. Ich wusste aber nicht, dass er die ganze Nacht weg war, bis ich am nächsten Morgen an seine Tür geklopft habe. Unmittelbar danach hat man mich aus dem Krankenhaus angerufen.
Sie müssen doch gemerkt haben, dass Ihr Mann die ganze
Nacht nicht im Bett gewesen ist. Trotzdem haben Sie ihn erst
um 16 Uhr als vermisst gemeldet?
Wir … wir … schlafen getrennt. Er schläft auf dem Dachboden. Als er nicht zum Essen kam, begriff ich, dass etwas passiert sein musste.
Vor diesem Zeitpunkt haben Sie also keine Nachforschungen angestellt, obwohl er seit dem Abend vorher weg war?
Ich hatte keine Ahnung, dass er die ganze Nacht nicht zu Hause war.
Obwohl Sie ihn nicht beim Frühstück getroffen haben?
Ich stehe nie auf, um mit ihm zu frühstücken. Außerdem war ich mir sicher, dass alles in Ordnung war, dass er sich an den
Aufräumarbeiten beteiligte. Wie gesagt, ich war selbst nicht ganz gesund.
Eira zog einen weiteren vergilbten Bogen heraus.
Vernehmung von Sverre Wikan, 29. Mai 1969.
Anwesend: Staatsanwalt Berntsen, Chefermittler Haugen und Kriminalhauptkommissar Nilsen.
Sverre, welche Erinnerungen hast du an den Zeitpunkt unmittelbar bevor du in Fjelds Büros gegangen bist?
(Schweigen) Nicht so viele. Ich erinnere mich an nichts Besonderes, meine ich.
Mit wem warst du zusammen?
Per Andersen.
Was habt ihr bei Fjelds Verwaltungsgebäude gemacht?
Wir haben nur … geguckt.
Habt ihr etwas Besonderes beobachtet?
(Schweigen) Besonderes?
Etwas, was um das Gebäude herum oder möglicherweise innen passiert sein könnte?
(Schweigen)
Habt ihr jemanden kommen oder vom Haus weggehen sehen?
Karl Fjeld ist hineingegangen.
Habt ihr gesehen, dass er das Gebäude wieder verlassen hat?
Nein.
Warum bist du selbst hineingegangen?
Nur, um zu gucken.
Was hast du gesehen?
(Langes Schweigen.) Nur ’ne Menge Rauch.
Hat das Haus gebrannt, als du hineingegangen bist?
(Langes Schweigen.) Nicht, soweit ich sehen konnte. Aber es ist immer mehr Rauch von draußen hereingedrungen.
Trotzdem bist du dort drinnen geblieben. Warum?
Ich … habe Leute in den Büros gehört und mich auf dem Klo versteckt.
Hast du jemanden gesehen, während du dich in dem Gebäude aufgehalten hast?
(Langes Schweigen.) Nein. Aber ich habe jemanden auf der Treppe gehört.
Du hast niemanden gesehen. Trotzdem bist du in dem brandgefährdeten und schließlich brennenden Haus geblieben. Warum?
(Schweigen)
Warum bist du in dem brennenden Haus geblieben, Sverre?
Hast du etwas beobachtet?
Da … war so viel Rauch. Ich glaube, ich bin ohnmächtig geworden oder vollkommen verwirrt gewesen. (Der Zeuge fasst sich an den Kopf und steht auf.)
Wie bist du herausgekommen?
Ich
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