Im Auge des Feuers
weiß ich noch unten in deinem Keller finden werden.«
Damit knallte sie die Tür zu und gab Gas.Johan hatte den letzten Rest der Whiskeyflasche geleert. Es war mehr als das Doppelte von dem gewesen, was ihn normalerweise vollständig außer Gefecht gesetzt hätte. Er war ziemlich betrunken. Aber es reichte nicht, um die Angst zu dämpfen. Sie schwelte nach wie vor erbarmungslos in ihm. Allein der Gedanke, erneut in den Keller zu gehen, ließ sein Herz rasen und trieb ihm den Schweiß auf die Handflächen.
Trotzdem musste er hinunter. »Es geht gut … es geht gut … es geht gut …« Diesmal wirkte es nicht. Er stand vor der Tür zur Kellertreppe. Sein Mund war staubtrocken. Er fühlte sich einer Ohnmacht nah und war plötzlich stocknüchtern. In der Hand hielt er einen Eimer, gefüllt mit Wasser und einem Gemisch aus Chlor und Putzmittel. Seine Hände würden sich auflösen, wenn er anfing zu putzen. Aber das machte nichts, sein gesamtes Ich ging sowieso gerade zu Bruch.
Er riss die Kellertür auf und stapfte die Treppe hinunter. Mit der einen Hand trug er den Eimer, in der anderen hielt er die stärkste Taschenlampe, die er hatte finden können. In diesem elendigen Raum dort unten funktionierte nur eine der Glühbirnen an der Decke. Aber auch sonst wäre es nicht hell genug gewesen. Er versuchte, sein Mantra laut vor sich hin zu sprechen, seine Wut aufzupeitschen, indem er an Rita dachte, aber nichts half.
Dennoch tat er es. Er ging in den Keller, zu dem verhassten Raum, während er krampfhaft gegen die Angst ankämpfte. Seine innere Panik griff wie ein wildes Flammenmeer um sich. Es gab nur die Flucht nach vorne – er musste es tun. Auf keinen Fall durfte Karls Leiche mit ihm in Verbindung gebracht werden.
Er öffnete die Tür zum Büro. Es fühlte sich an, als explodiere sein Herz im Brustkorb, und in Johans Ohren tobte ein gewaltiger Sturm. Der Lichtstrahl seiner Taschenlampe fiel auf den Safe.
Der Kopf war weg.
Johan stieß einen spitzen Schrei aus.
Mit einem langen Satz war er im Raum und kippte die Hälfte des Wassers in den leeren Safe, über den Tisch und auf den Boden. Johan war außer sich. Schnell griff er zur Scheuerbürste und rieb sie hin und her, als putze er um sein Leben.
Blind vor Angst goss er das restliche Wasser über den Boden und in den Safe, schrubbte wie besessen, ohne jedoch überhaupt Blutflecken zu sehen. Das Holz war uralt, dunkelbraun, teergebeizt und aufgesplittert. Er trieb die Bürste vor und zurück, schürfte sich an den Kanten der Safeöffnung und an den Fußbodenbrettern die Hände auf, hörte sein panisches Geschluchze wie aus weiter Ferne. Die ganze Zeit hatte er den abgehackten Kopf vor seinem inneren Auge. Das Bild verschwand nicht, soviel er auch schrubbte.
Schließlich richtete er sich auf. Der Eimer war leer, ebenso er selbst. Er hatte weder Kraft noch Atem. Für einen kurzen Moment wurde er sich der absoluten Stille bewusst.
Jetzt erst realisierte Johan, dass der Safe vollkommen leer war. Auch der Umschlag mit alten Dokumenten war weg.
Dann hörte er das Geräusch. Es kam aus dem Erdgeschoss. Klick-klick . Die Tür am oberen Ende der Treppe wurde zugeschoben und abgeschlossen.
Kapitel 43
Rita kam eine Viertelstunde später. Johan saß auf der Treppe vor dem Haus, er war nur im Hemd, das zudem schmutzig und zerrissen war. Er zitterte und schlotterte so sehr, dass die kühle Oktoberluft allein nicht die Ursache sein konnte.
Rita blieb ein paar Meter vor ihm abwartend stehen. »Du siehst nicht sehr gut aus.«
Er stierte geradeaus in die Dunkelheit. »Jemand war hier.«
»Herrgott. Du warst im Keller.«
»Natürlich war ich im Keller. Du hast mich gebeten, dort runterzugehen, zum Entfernen … zum Wegputzen der Spuren.«
»Ich hab dich um überhaupt nichts gebeten.« Sie trat etwas näher heran.
Er wich zurück. »Der Kopf war weg.«
»Er war weg?« Sie sagte es in einem alltäglichen Ton, als ob er seine Pantoffeln nicht gefunden hätte. Aber ihre steife Haltung und die Art, wie ihre Augen eingehend sein Gesicht musterten, verrieten, dass sie herauszufinden versuchte, wie schlimm es um seine geistige Gesundheit stand.
»Du hast gehört, was ich gesagt habe.«
»Du erträgst es einfach nicht, dort runterzugehen.«
»Du glaubst mir nicht. Du meinst, ich phantasiere.« Er schluckte schwer.
»Natürlich glaube ich dir.«
Er kannte sie gut genug, um zu sehen, dass sie log. »Es war jemand hier. Ich schwöre es! Sie haben die Tür oben an der Treppe
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