Im Auge des Feuers
tot erklärt worden, und damit Schluss. So habe ich es damals gesehen und so sehe ich es heute noch. Was in seinem Kopf vorgegangen ist, kann wohl niemand beantworten.« Er standmühsam auf. »Meine lieben Kollegen, jetzt bin ich mit meiner Tochter zu einem Brunch eingeladen. Viel mehr kann ich wohl nicht für Sie tun?« Haugen marschierte voraus in Richtung Tür.
»Vermutlich nicht.« Eiras Antwort klang eher wie eine Frage. Haugen blieb stehen und schaute auf seine Pantoffeln hinunter. »Sie wissen ja«, sagte er leise, »es war nicht unsere Aufgabe, uns mit haltlosen Spekulationen zu beschäftigen. Das Brandunglück war eine plausible Erklärung für Karl Fjelds Verschwinden.« Er zögerte noch etwas. »Es gab allerdings Gerüchte, wissen Sie. Mehrere Jahre später wurde gesagt, dass die Firma vor dem Brand finanziell nicht so gut dastand, wie die meisten geglaubt hatten. Dass Karl zumindest teilweise daran schuld gewesen sein sollte.« Er zuckte mit den Schultern. »Spekulationen, wie gesagt.«
Eira nutzte die Gelegenheit. »Kannten Sie Gunhild Wikan?«
Haugen schien zu erröten.
»Oh … Die habe ich recht gut gekannt. Verheiratet mit Oscar Wikan. Schöne Frau.« Er lachte verlegen.
»Sie hatten nichts gegen sie in der Hand?«
Haugen starrte ihn betroffen an. »Gunhild Wikan? Was hätten wir gegen sie in der Hand haben sollen?« Er wurde ernst, sah beinahe bedrückt aus. »Sie ist natürlich vernommen worden, als ihr Mann umgekommen ist. Du lieber Himmel, sie war am Boden zerstört, bleich wie ein Laken und die Augen schwarz vor Trauer. Man hörte kaum ihre Stimme, wenn sie sprach, aber sie ertrug es heldenhaft und mit geradem Rücken.« Haugens Bewunderung für Gunhild Wikan war nicht zu überhören.
»Aber es wurde ja angedeutet, dass …«
Haugen fiel Eira ins Wort und wirkte zum ersten Mal verärgert. »Neid, Eira. Im Nachhinein hat sich ja erwiesen, dass es keine Anhaltspunkte für irgendeines dieser Gerüchte gab. Gunhild Wikan hat seit dem Tod ihres Mannes allein in Spanien gelebt.« Er räusperte sich. »Ich werde Ihnen sagen, wie ich die Sache sehe: GunhildWikan war ganz einfach eine Nummer zu groß für diese Stadt. Eine außergewöhnlich attraktive Frau. Tapfer stand sie all diese schrecklichen Ereignisse und Befragungen durch. Sie wurde aufs Übelste verleumdet und verdächtigt. Das war meiner Ansicht nach der Grund dafür, dass sie nicht lange nach dem Brand einfach aus der Stadt verschwand.«
»Wie lange danach?«
Haugen zögerte nicht – die Antwort kam prompt, als wenn er den Satz schon unzählige Male wiederholt hätte: »Ein halbes Jahr danach. Sobald Sverre am Gymnasium begonnen hatte.«
Kapitel 46
Eira und Benjaminsen fuhren direkt zurück ins Präsidium. Vor dem Büro stießen sie auf Berger. Sie kaute an einer Banane, hatte ihre Winterjacke an und sah damit aus, als wolle sie sich augenblicklich auf Expedition nach Grönland begeben. Allerdings wusste man es bei ihr nie so genau. Berger hatte die Angewohnheit, die Jacke drinnen anzubehalten, und hätte sie wohl auch für einen Urlaub an der Costa del Sol übergeworfen.
»Hallo, Berger. Wie ich höre, sind die Leute von der Spurensicherung fertig mit Johan Fjelds Auto. Wir fahren mit ihnen zurück und machen direkt die Hausdurchsuchung. Weißt du schon, ob sie irgendetwas im Auto gefunden haben?« Eira fürchtete, dass die Antwort negativ sein könnte.
Berger zuckte mit den Schultern. »Abgesehen von dem, was ohnehin zu erwarten war, nichts Besonderes. Man hat natürlich Fasern von Johan und Rita nachgewiesen, zudem waren Karl Fjelds Fingerabdrücke am Lenkrad. Aber kein Blut.« Sie legte den Kopf schief. »Kommst du?«
Eira war gedankenversunken ins Büro gegangen. »Gunhild Wikan war heute Vormittag hier.«
Berger ließ sich desorientiert auf einen Stuhl plumpsen, dann erinnerte sie sich. »Sie ist also endlich aufgetaucht.«
»Die Dame war sehr darauf bedacht, mir ihre Version der Geschichte zu erzählen.«
»Und die lautet?«
»Sie glaubt wohl, dass wir uns für ihr angebliches Verhältnis mit Karl Fjelds Vater, Andreas, interessieren würden. Soweit ich verstanden habe, war es ihr wichtig, diese Gerüchte über ihre Vergangenheit zu entkräften.«
»Ist sie den ganzen Weg von Spanien hierhergekommen, nur um uns das zu erzählen?«
»Das bestreitet sie. Sie behauptet, der Anlass für ihren Besuch sei privater Natur, ohne dass sie das näher ausführen würde. Trotzdem wundert es mich, dass sich eine Frau, die ihr
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