Im Auge des Feuers
überprüfen?«
Benjaminsen nickte eifrig. »Gunhild hat im April 1969 die Scheidung beantragt. Oscar war nicht einverstanden und hat die Papiere nicht unterschrieben. Daher wäre die Scheidung erst nach einem Jahr rechtskräftig gewesen.«
»Davon haben weder Gunhild noch Sverre ein Wort gesagt.« Eira stand entschlossen auf. »Bevor wir Schluss machen, haben wir noch eine Orientierungssitzung.« Er warf einen letzten Blick in die Papiere. »Sie hat nicht zu hundert Prozent zu Hause gearbeitet . Es hat den Anschein, als habe sie sechs Wochen bei den Fjelds zu Hause geputzt, als Nancy mit einem gebrochenen Schlüsselbein ausgefallen ist.« Eira sah hoch. »Wer hat dir das erzählt?«
»Johan Fjeld. Ich habe mich heute Morgen mit ihm unterhalten. Er hatte genug Zeit zum Nachdenken und hat gesagt, dass das ein paar Jahre vor dem Brand gewesen sein muss. Er erinnerte sich, dass Karl gerade von der Handelshochschule nach Hause gekommen war.«
»Also kennt Gunhild die Familie und auch das Haus.« Eira kratzte sich am Kopf. »Vielleicht halte ich mich zu sehr bei dieser Dame auf. Aber irgendwie gelingt es mir nicht, sie richtig zu fassen zu bekommen.«
Kapitel 47
Sie parkten vor dem Zaun zu Johan Fjelds Grundstück und gingen die hundert Meter zur Eingangstür zu Fuß. Altes Laub lag gelb und glitschig auf dem Weg, von den wechselnden Niederschlägen in der letzten Woche fest zusammengepresst. Der Wind kam in Böen, und die Regentropfen schienen auf dem Gesicht zu gefrieren. Das Seil an Fjelds Fahnenstange peitschte in den Windstößen wie ein Handmixer. Der Schnee war zu dünnem, hellbraunem Matsch zerschmolzen und würde morgen wahrscheinlich wieder zu einer steinharten, lebensgefährlichen Eisschicht erstarren. Eira verwarf augenblicklich die Theorie, dass die alternde Gunhild Wikan in ihre Heimatstadt zurückgekehrt war, um ihre alten Tage hier zu verbringen. Das war viel zu strapaziös. Die globale Klimakrise mit ihren plötzlichen Temperaturschwankungen hatte das Leben nicht nur für die Eisbären in der Arktis unvorhersehbar gemacht. Verfluchtes Sauwetter!
»Was hast du gesagt, Eira?« Bergers Kopf war gut in eine offenbar beinahe schalldichte, dicke Mütze eingepackt und ragte kaum über den hochgeschlagenen Jackenkragen hinaus.
Er antwortete nicht, drehte sich halb um und sah das Auto der Spurensicherung hinter sich parken. »Ich hab bloß laut gedacht. Daran, wie kompliziert die Ermittlungen um 1969 gewesen sein müssen. Die Kriminaltechniker sind aus dem Süden hier hoch gereist. Das Gleiche galt für die Gerichtsmediziner. Alle Analysen sind nach Oslo geschickt worden. Die Toten, die untersucht werden sollten, auch. Hin und zurück. Hoch und runter. Vielleicht hat es den Ergebnissen nicht sonderlich gut getan, dass wichtige Untersuchungen 160 Meilen vom Tatort entfernt durchgeführt werden mussten.«
Diesmal antwortete Berger nicht.
»Heute haben wir eigene Leute hier vor Ort. Im Vergleich zu damals sollte das die Ermittlungen doch erleichtern.«
»Vielleicht war das damals auch eine Mentalitätsfrage – bei diesen großen Unterschieden zwischen dem Norden und dem Süden unseres Landes … Bevor ich mit der Arbeit hier oben angefangen habe, wusste ich auch nicht, wie ihr Nordlichter wirklich drauf seid«, murmelte Berger.
»Du lernst aber unglaublich schnell«, sagte Eira mit einem anerkennenden Nicken und klingelte bei Johan Fjeld.
Berger errötete verblüfft und zog den Kopf noch tiefer in den Kragen.
Es dauerte lange, bis Johan öffnete. In der Zwischenzeit waren sie einmal ums Haus herumgegangen.
Johan sah aus, als sei er gerade aus dem Bett gekommen und habe dort eine Nacht von zweifelhafter Qualität verbracht. Er war unrasiert. Auf der einen Wange hatte er einen deutlichen Abdruck, vermutlich von einer Falte im Bettlaken.
»Es ist zwei Uhr nachmittags, Herr Fjeld.«
Johan starrte Eira an, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Zwei Uhr? Das war mir nicht bewusst. Was streunen Sie hier herum?«
»Was ist mit Ihrem Kellerfenster da auf der Rückseite passiert?«
»Passiert?«
»Haben Sie den Eindruck, dass ich undeutlich spreche, Fjeld? Sie haben den Hang, meine Fragen zu wiederholen.« Eira fasste Johan am Arm und führte ihn vorsichtig in die Diele. »Zurzeit ist es verdammt ungemütlich in Gottes freier Natur. Lassen Sie uns hineinkommen, wir müssen uns aufwärmen. Vielleicht haben Sie etwas Kaffee. Sie sehen aus, als könnten Sie selbst auch einen gebrauchen.«
Johan wirkte immer
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