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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Das Messer in meiner Hand behinderte mich, und
als ich wieder besser Luft bekam, steckte ich es in den Hosenbund zurück. Dann
zog ich mich am zerbrochenen Geländer auf den Steg hinauf. Diesmal hielt ich
den Kopf höher. Als wieder eine Welle über den Steg fegte, erwischte sie mich
nur bis zur Schulter. Ich spürte die Kälte des Wassers noch, aber nicht mehr so
beißend wie vorher, und einen flüchtigen Augenblick überlegte ich, ob meine
Gliedmaßen bereits gefühllos wurden.
    Etwa zehn Meter vor mir lag das
Bootshaus. Die kleine Tür stand offen und schlug mit lautem Krachen immer
wieder gegen die Aluminiumwand. Die Türöffnung selbst war ein Rechteck aus
trübem gelblichen Licht, über das sich hin und wieder ein langgezogener
Schatten bewegte. Glücklicherweise übertönte der heulende Wind und der Lärm der
Tür jedes Geräusch, das ich verursachte. Geduckt, das Messer jetzt wieder in
der Hand, schlich ich näher. Das Holz des Stegs war schlüpfrig, aber das Wasser
reichte mir hier nur bis zu den Füßen. Mit einem Satz sprang ich neben die Tür
und preßte mich an die Wand, die im Wind bebte.
    Ich lauschte auf die Geräusche, die aus
dem Bootshaus drangen. Der Regen trommelte auf das Eisendach, Wasser
plätscherte, wahrscheinlich in der Schleuse, und der Wind heulte durch das
höhlenartige leere Innere. Vorsichtig schob ich den Kopf vor, bis ich
hineinspähen konnte.
    Das Licht kam von einer großen, mit
einer Batterie gespeisten Lampe, die zwischen der Bootsschleuse und dem
Holzbock mit dem Motor auf dem Boden stand. Das Schleusentor war hochgezogen,
das Wasser in der Schleuse war gefährlich hoch gestiegen. Auf den Stufen, die
hinunterführten, lag ein Paar Ruder. Das Boot selbst war auf das Wasser
hinuntergelassen worden und tanzte heftig hin und her, immer wieder gegen die
Zementwände stoßend.
    Eine große, eckige Gestalt in einem
olivgrünen Regenmantel beugte sich über den Motor und machte sich an der
Schraube zu schaffen. Ich musterte die Person und begriff, wie einfach es
gewesen war, den Geist des Einsiedlers zu beschwören. Die Lumpen, der Henkersstrick,
und wenn man dann weit genug wegstand, so daß keine genauen Einzelheiten zu
erkennen waren... Da richtete Stephanie sich auf und sah zur Schleuse.
    Ich zuckte zurück. Obwohl ich gewußt
hatte, wer der Täter war — durch Andrews Zeichnungen, zusammenhanglose
Einzelheiten, die ich beobachtet hatte, und die Information, die ich in der
Bibliothek gefunden hatte — , war die Bestätigung doch ein Schock. Die
scharfzüngige und doch so angenehme Stephanie, die Appleby Island für sich
haben wollte.
    Die Waffe, überlegte ich, wo hatte sie
meine Pistole?
    Ich riskierte wieder einen Blick durch
den Türrahmen. Stephanie hob den Motor vom Bock. Sicherlich steckte die Waffe
in ihrer Regenmanteltasche oder im Bund ihrer Jeans. Jetzt war der Augenblick
gekommen, sie zu überraschen. Vielleicht die einzige Gelegenheit.
    Stephanie begann, den Motor zur
Schleuse zu schleppen. Ich packte das Messer fester und schob mich durch den
Türrahmen in den Schatten der Wand. Wartete, bis sie bei den Stufen in die
Schleuse war und mir den Rücken zuwandte. Dann rannte ich los. Sie hörte meine
Schritte oder spürte meine Anwesenheit — jedenfalls warf sie einen Blick über
die Schulter zurück. Sie fuhr herum und ließ den Motor fallen. Er fiel mit
metallischem Krachen zu Boden. Ich schlug einen Haken und hob das Messer, doch
da hatte Stephanie schon die Hand in der Tasche ihres Regenmantels. Während sie
versuchte, sie wieder herauszunehmen, machte ich einen Satz, um ihre Füße zu
packen.
    Sie trat mit dem Fuß nach meinem Kopf,
ich sah den Tritt rechtzeitig kommen und rollte mich weg und zog sofort die
Füße unter mich. Stand auf und war bereit zum nächsten Sprung.
    Doch sie hatte jetzt die Pistole
herausgeholt und hielt sie in der rechten Hand. Sie zielte auf mich.
    Ich hechtete zur Seite und ließ dabei
das Messer fallen. Die Kugel schlug gegen die Wand hinter mir. Der Hall des
Schusses echote wieder und wieder durch den leeren Raum.
    Stephanie mochte sich mit Booten
auskennen, aber von Waffen verstand sie nichts. Der Rückstoß riß ihr den Arm
hoch und warf sie nach hinten.
    Ich kroch auf dem Bauch über den nassen
glatten Boden, beinahe, als würde ich Körper-Surfing machen, und wollte wieder
ihren Knöchel packen. Diesmal erwischte ich ihn und hielt ihn fest.
    Sie versuchte, nach mir zu treten, und
taumelte. Ich hörte die Pistole zu Boden fallen.

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