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Das Prometheus Mosaik - Thriller

Das Prometheus Mosaik - Thriller

Titel: Das Prometheus Mosaik - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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    S CHOTTLAND , NAHE E DINBURGH , NACH M ITTERNACHT
    In seinem merkwürdigen Traum bekam der Junge kaum noch Luft. Jemand, etwas, ein Ungeheuer schien ihm alle Luft wegzuatmen. Dieses Gefühl folgte ihm ins Aufwachen hinein und wurde wirklich. Eine große, kräftige und vor allem heiße Hand schien sich ihm auf Mund und Nase zu pressen. Und als es ihm endlich doch gelang, wenigstens einen kleinen, flachen Atemzug zu tun, brannte ihm das bisschen Luft in Mund und Rachen, so ähnlich wie der winzige Schluck Whisky, den er einmal aus Papas fast leerem Glas stibitzt hatte und der ihm auf der Zunge explodiert und wie etwas Brennendes durch den Hals und in den Bauch hinuntergelaufen war.
    Doch diese Empfindung, die den Jungen in dem kleinen Reich zwischen Schlafen und Wachen überfiel, erstickte in seinem Kopf unter der Macht einer anderen Erinnerung.
    Er dachte an Ägypten. An den Urlaub, den er dort im vorigen Sommer mit Mama und Papa verbracht hatte. An den schlimmen Sonnenbrand, den er sich im Tal der Könige geholt hatte. Seine Haut hatte gespannt, als sei er plötzlich gewachsen und sie nicht mit ihm, bis sie schließlich aufgesprungen war und sich abgelöst hatte und das Fleisch darunter gleich hatte mitnehmen wollen … Dort in der Wüste war es so glühend heiß gewesen wie in einem Backofen. Aber doch nicht so heiß wie …
    … wie hier. Jetzt. In seinem Zimmer. Und mit dieser Erkenntnis ließ der Schlaf vollends von ihm ab.
    Der Junge fuhr hoch und schlug die Augen auf. Seine Lippen öffneten sich, platzten förmlich auseinander unter einem Schrei, der ihm aus der Kehle brach, getrieben von explodierendem Schmerz. Denn im Aufsetzen riss es ihm die Haut vom Rücken. Vor Schmerz schreiend und die Augen blind vor Tränen, tastete er nach hinten, fühlte feuchtes Fleisch auf seinem Rücken und etwas Klebriges auf der Matratze – der Rest seines Schlafanzugs, die Masse, zu der die Hitze Haut und Kleidung verschmolzen hatte.
    Wieder ging ihm ein sonderbarer Gedanke durch den Kopf, als versuche sein Unterbewusstsein ihn mit allen nur möglichen Mitteln von den Schmerzen abzulenken. Wie durch einen Nebel sah er im Geiste den Besitzer der Imbissbude, an der Mama und er auf dem Heimweg vom Kindergarten immer vorbeikamen. Der Mann stand an seinem Grill und legte vor Marinade triefende Steaks auf. Die Flammen leckten zwischen den Gitterstäben des Rostes nach oben. Nur stieg der damit einhergehende Geruch nicht bloß in seiner Vorstellung auf. Der Junge roch ihn wirklich. Doch es war nicht der Geruch von gegrillten Steaks, sondern der Gestank verbrannten Fleisches. Seines Fleisches.
    Und dieses Wissen machte den Schmerz noch tausendmal schlimmer, als er es ohnehin schon war. Schmerz, der sich nun nicht mehr auf seinen gehäuteten Rücken beschränkte, sondern in jede Stelle seines Körpers biss und sich hineinfraß, bis auf die Knochen hinunter.
    Der Junge wollte Luft holen für einen neuerlichen Schrei, glaubte jedoch, pures Feuer einzuatmen. Feuer, das jedes bisschen Sauerstoff im Zimmer aufgebraucht hatte. Feuer, das sein Zimmer schon verschlungen hatte.
    Alles um ihn herum stand lichterloh in Flammen. Er konnte nur Umrisse ausmachen und erahnen, wo hinter der wogenden Feuerwand die Tür und das Fenster lagen.
    Als wollten sie die mangelnde Sicht ausgleichen, schienen seine Ohren sich doppelt anzustrengen. Auf dem Bett kauernd, weil keine Flucht möglich war, und vor Angst und Schmerzen wimmernd, vernahm er ganz deutlich das Knistern und Knacken, mit dem das Feuer die Holzmöbel verzehrte, und das Zischen, als sein Plastikspielzeug schmolz und schmorte.
    Über allem hörte er, seltsamerweise, seinen Wecker, den Mama ihm damals am Abend vor seinem ersten Kindergartentag auf den Nachttisch gestellt hatte und dessen ewiges Ticken er längst nicht mehr bewusst wahrgenommen hatte. Bis jetzt.
    Und er hörte seinen Namen. Sein Vater rief ihn, ganz nah und doch unerreichbar fern. Gleich vor der Tür musste er stehen. Ebenso gut hätte er auch am anderen Ende der Stadt oder sogar der Welt stehen können. Denn durch diese Tür schien kein Hereinkommen mehr, weil die Flammen sie wie eine Barrikade blockierten.
    Doch schiere Verzweiflung öffnete viele Türen …
    Ein dumpfer Schlag ertönte, wie von jemandem, der nebenan Holz hackte. Ein zweiter, dieser gefolgt von einem Knirschen und Knacken, als würde ein Baum gefällt. Und ebenso langsam wie ein fallender Baum kippte die Tür, die sein Vater aufgetreten haben musste, ins

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