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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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der sie früher Hotdogs und Eis gekauft hatten. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, und seinen Gesichtsausdruck schätzte Anna schon aus hundert Metern Entfernung als extrem angepisst ein.
    »Anscheinend ist er allein«, sagte sie.
    Tom zuckte die Achseln. »Festnehmen kann er uns trotzdem.«
    Ein eisiges Zittern lief über Annas Rücken, aber sie schob es auf den Wind. Nachdem sie endlich ihre blinde Geldgier überwunden hatte, würde sie sich nicht von ein bisschen Angst aufhalten lassen. »Gehen wir zu ihm.«
    Halden entdeckte sie und wandte sich ihnen zu, blickte ihnen entgegen. Unwillkürlich wurden Annas Augen von der großen schwarzen Pistole angezogen, auf der seine rechte Hand ruhte. Sie stellte sich vor, wie es sich anfühlen musste, den Tod an der Hüfte zu tragen und damit herumzulaufen, als wäre das ganz normal. Es roch wie immer nach einem Frühlingsregen, nach feuchter Erde und Regenwürmern, vermischt mit dem unterschwelligen Gestank verrottender Algen. Als sie noch fünf Meter entfernt waren, rief Halden: »Können Sie mir einen Grund nennen, Sie nicht beide auf der Stelle festzunehmen?«
    »Ehrlich gesagt, nein«, antwortete Tom. »Genau deshalb sind wir gekommen.«
    Haldens Augenbrauen zogen sich zusammen, seine Pupillen verengten sich zu Schlitzen, auf seinen Wangen bildeten sich Falten. Offenbar hatte ihn Toms Antwort aus dem Konzept gebracht. Kurz schien es, als wollte er etwas anderes sagen, doch er zögerte. »Erzählen Sie.«
    »Sie haben uns einmal davor gewarnt, uns zu verrennen.« Anna atmete tief ein. »Genau das haben wir getan.« Halden schwieg. Langsam hatte sie das Gefühl, dass er das alles sowieso schon wusste – anscheinend war er der Typ, der sich zurückhielt, bis er einen Vorteil darin sah, das Wort zu ergreifen. Sie wurde nervös; am liebsten hätte sie jedes einzelne Wort überprüft. »Alles ist schiefgegangen. Und jetzt sind wir in großer Gefahr.«
    »Ach ja?« Er starrte sie an. »Und warum sind Sie mir ausgewichen? Wissen Sie, ich entwickle nicht gerade warme Gefühle für Leute, die mich ständig hinhalten.«
    »Das wissen wir.«
    »So, so, das wissen Sie. Wissen Sie auch, dass heute Vormittag ein Cop erschossen wurde? Hinter der Mall?«
    Anna legte ein Hand vor den Mund. Toms Blick huschte zu ihr hinüber.
    »Vielleicht«, fuhr Halden fort, »sollten Sie aufhören, in Rätseln zu sprechen, und lieber auspacken. Am besten fangen Sie damit an, wie Sie vierhunderttausend Dollar gefunden haben.« Er sah ihnen direkt in die Augen. »Ja, ich weiß davon. Ich weiß auch noch vieles andere. Sie haben mich angelogen, alle beide.«
    »Damit ist jetzt Schluss«, sagte Tom leise. »Wir werden Ihnen alles erzählen.«
    Der Detective nickte, steckte eine Hand in die Tasche und zog einen Schlüsselbund hervor. »Also gut. Kommen Sie, Sie fahren bei mir mit.«
    »Moment!«, rief Anna. »Wir wollten Sie nicht umsonst hier draußen treffen. Vorhin, in der Mall, hat ein Cop Jack Witkowski geholfen.«
    Halden zog eine Augenbraue hoch.
    »Ich weiß, wie sich das anhört, wirklich«, sagte Anna, »aber es ist wahr. Deswegen wollten wir, dass Sie hier rauskommen, und zwar allein. Ihnen vertrauen wir, aber es gibt mindestens einen Cop, der auf Jacks Seite steht, wenn nicht mehr.«
    Forschend blickte Halden von Anna auf Tom und wieder zurück. Schließlich steckte er die Schlüssel in die Tasche, griff in sein Sakko, holte eine Schachtel Winstons heraus und klopfte sie gegen die Handfläche, um eine Zigarette herauszuschütteln.
    »Darf ich?«, fragte Tom.
    Halden hielt ihm die Schachtel hin, zauberte ein goldenes Zippo hervor und entzündete beide Zigaretten. Das Feuerzeug schloss sich mit einem scharfen Klacken. »Ich wusste gar nicht, dass Sie rauchen.«
    »Tu ich auch nicht«, erwiderte Tom, inhalierte tief und stieß einen grauen Rauchschleier aus. »Letzten Februar aufgehört.«
    Der Detective nickte. Offenbar hatte er kein Problem damit, zu warten, bis sie von selbst redeten.
    Anna atmete ein. »Wir haben das Geld gefunden, als es damals in der unteren Wohnung brannte. Es war im Mehl versteckt, und auch in den anderen Lebensmitteln.« Sie erklärte ihm, wie es sich zu Beginn angefühlt hatte – wie ein Spiel, ein merkwürdiges, aber wunderbares Spiel. Und dass sie nicht wirklich geplant hatten, das Geld an sich zu nehmen, dass einfach eins zum anderen geführt hatte. Auch von dem Versteck im Keller berichtete sie und von den Schulden, die sie beglichen hatten. Und von dem

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