Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
Malignus nicht nur drohte, sondern handelte. »Eure Entscheidung wird nicht jedem gefallen, Darius. Es wird sich als großer Fehler erweisen, den Menschen zu holen. Ihr werdet sehen!«
Malignus blickte Darius noch einmal aus seinen unergründlichen Augen an, machte auf dem Absatz kehrt und ging durch die Wand. Es gab nichts mehr zu sagen.
Die übrigen Ältesten hatten der Szene angespannt zugesehen, jeden Moment darauf gefasst, eingreifen zu müssen. Alle atmeten erleichtert auf, als Malignus den Raum verließ. Eine Fehde unter den Ältesten war das Letzte, was sie jetzt noch brauchen konnten.
Der blau schimmernde Aqulla war, ebenso wie Malignus, dafür bekannt, dass er Menschen nicht mochte, er wendete sich ab, um seinem Sinnesbruder zu folgen.
Darius legte Aqulla beschwichtigend die Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück. »Es zwingt Euch keiner, eine Entscheidung zu treffen, mein Freund. Ihr müsst heute noch keine Position beziehen.«
Aqulla wirkte skeptisch. »Dass der Junge uns sehen kann, ist eine Sache, Darius. Aber dem Kind unsere Welt zeigen, ihn in unsere Geheimnisse einzuweihen und ihm unsere Portale zu zeigen …« Aqulla gestikulierte mit seinen bläulichen Händen und schnappte hektisch nach Luft. Die erdige Umgebung entsprach nicht seinem Element. »Und stell dir vor, er würde die Drudel tatsächlich finden, das verleiht ihm Macht, große Macht sogar! Versteh doch!«, argumentierte er weiter. »Hast du daran gedacht, was geschehen wird, wenn der Junge einen Weg findet, andere menschliche Wesen in unser Reich zu führen? Wer weiß, ob sie unserer hier unten gewahr werden, wenn dieser Mensch erst die Drudel in den Händen hält?«
Darius hob resigniert die Hände. »Er ist nun mal der einzige Mensch, der unserer gewahr wird und, der Prophezeiung entsprechend, die Drudel aufspüren kann. Ich behaupte ja nicht, dass ich ihm gestatte, das Buch zu öffnen oder es zu berühren. Die Prophezeiung besagt lediglich, dass er den Weg weisen wird. Er wird lediglich herausfinden, wo das Buch liegt.«
Aqulla schnaufte verächtlich. »Die Drudel! Das Buch ist schon über 400 Dekaden alt. Wer weiß, ob es die Lösung für unsere Probleme in sich birgt und was alles darin stehen mag. Vielleicht das älteste Rezept für Panonüsse, oder wie man den Gobbels das Beißen abgewöhnt. Und selbst wenn es den Bann löst, wird damit das Sterben aufhören?«
Darius blickte auf. »Ich weiß es nicht, aber ich lege alle meine Hoffnungen in sie. Wenn wir das Buch nicht finden, hört unsereins in greifbarer Zeit auf zu existieren!« Er schüttelte traurig den Kopf, und sein kunstvoll in Schlaufen gelegter Bart wippte bedächtig.
»Ich denke eher, dass dir das Buch so wichtig ist, weil du überzeugt bist, es könne den Bann lösen, der uns dazu verdammt, niemals unter freien Himmel treten zu können, Darius. Du wärst dann der Erlöser, der uns Lemuren in die obere Welt zurückführt, nicht wahr?« Aqulla und wandte sich zum Gehen.
Die anderen standen mit gesenkten Köpfen zusammen und besprachen leise die bevorstehende Ankunft des Menschen. Darius rollte sorgfältig das Pergament mit der Prophezeiung zusammen und ließ es durch seine Hände gleiten, bis ein kleiner Wicht durch die Wand geschossen kam und schliddernd vor ihm zum Stehen kam. Darius legte das Pergament zur Seite und blickte nach unten.
»Was hast du zu sagen? Sprich frei«, forderte er das Männchen auf.
»Hochverehrter Dan, Ihr habt nach mir rufen lassen. Da bin ich, also hier, im Decertum – dem Allerheiligsten des Ältestenrats. Ich stehe vor Euch«, stammelte der Wicht.
»Loo, ich bin froh, dass du da bist.« Darius ließ sich auf die Bank sinken.
»Es geht um den Jungen – um Timothy. Ihr habt zu seinen Gunsten entschieden, oder? Darf ich es ihm sagen? Bitte! Es wäre wirklich – also, er ist mein Freund, mein bester Freund!« Loo quiekte vor Begeisterung.
Im nächsten Moment schlug er sich die Hand vor den Mund. Erschrocken blickte er Darius aus seinen großen Telleraugen fragend an. War er zu vorlaut gewesen? Hätte er diese Bitte überhaupt an einen Ältesten herantragen dürfen? Er kannte sich nicht genau mit den Protokollen des Decertum aus.
Aber Loo sah erleichtert, dass Darius schmunzelte.
»Ob unsere Entscheidung zu seinen Gunsten sein wird, muss sich zeigen … aber ja, Loo. Du wirst es ihm erklären. Ich hoffe, er glaubt dir.«
»Er wird mir glauben, Hoher Dan, er wird endlich alles verstehen. Er wird es mit eigenen Augen sehen.
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