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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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die Straßen des Wohnviertels, das im Hügelland nicht weit vom Ashdon College entfernt liegt, dem College, wo früher meine Eltern - die ermordet wurden - als Professoren gelehrt hatten. Zuvor war ich am Strand gewesen. Obwohl so gut wie kein Wind ging, hatte es eine leichte Dünung gegeben. Aber die schlaffen Wellen waren es nicht wert gewesen, den Anzug anzulegen und aufs Brett zu steigen. Orson, mein schwarzer Labradormischling, trottete neben mir her.
    Pelzgesicht und ich waren nicht auf Abenteuer aus, sondern wollten lediglich etwas frische Luft schnappen und den Bewegungsdrang befriedigen, den wir beide verspürten. In den meisten Nächten plagt uns beide eine Rastlosigkeit der Seele.
    Wie dem auch sei, nur ein Narr oder ein Verrückter hält im pittoresken Moonlight Bay nach Abenteuern Ausschau. Dieser Ort ist gleichzeitig eine der ruhigsten und gefährlichsten Gemeinden auf dieser Erde. Wenn man hier nur lange genug an Ort und Stelle verharrt, suchen einen so viele Abenteuer heim, daß es für ein ganzes Leben reicht.
    Lilly Wing wohnt an einer Straße, die von Nußkiefern beschattet wird und auch nach ihnen riecht. Wo kein Licht hinfiel, waren die Stämme und die gewundenen Äste pechschwarz. Nur an wenigen Stellen durchdrang der Mondschein die gefiederten Äste und warf einen silbernen Schimmer auf die grobe Rinde.
    Ich bemerkte Lilly, da der Strahl einer Taschenlampe zwischen den Kiefern hin und her huschte. Ein pendelnder Lichtbogen strich flink über das Pflaster vor mir, und die Schatten der Bäume machten Sätze. Sie rief den Namen ihres Sohnes, versuchte laut zu schreien, wurde jedoch von Atemlosigkeit und einem panischen Beben der Stimme niedergeworfen, das Jimmy in ein sechssilbiges Wort verwandelte.
    Da vor und hinter uns kein Verkehr in Sicht war, hatten Orson und ich uns mitten auf dem Pflaster bewegt: die Herren der Straße. Jetzt zogen wir zum Rinnstein hinüber.
    »Was ist los, Dachs?« sagte ich, als Lilly aus der Lücke zwischen zwei Kiefern auf die Straße lief.
    Seit zwölf Jahren, seit wir sechzehn waren, war .Dachs. mein liebevoller Spitzname für sie. Zu jener Zeit hieß sie noch Lilly Travis. Wir waren ineinander verliebt gewesen und der festen Überzeugung, daß uns eine gemeinsame Zukunft bestimmt war. Wir teilten viele Interessen und Leidenschaften, darunter eine ganz besondere für Kenneth Grahames .Der Wind in den Weiden., den Kinderbuchklassiker, in dem der kluge und neugierige Dachs der treue und entschlossene Beschützer aller guten Tiere im Wilden Wald war. »Meine Freunde können sich in diesem Lande frei bewegen«, hatte Dachs dem Maulwurf versichert, »es sei denn, man könnte mir einen triftigen Grund dagegen anführen!« Gleichermaßen wurden all diejenigen, die mich wegen meiner seltenen Behinderung mieden, mich wegen der ererbten Unfähigkeit, mehr als nur ganz schwaches Licht zu ertragen, Vampir nannten, jene Psychopathen im Teenageralter, die mich mit Fäusten und Taschenlampen quälten, jene, die hinter meinem Rücken gehässig über mich sprachen, als hätte ich mich bewußt dafür entschieden, mit Xeroderma pigmentosum geboren zu werden - all jene wurden von Lilly zur Rede gestellt, deren Gesicht sich bei jeder Zurschaustellung von Intoleranz rötete und deren Herz vor rechtschaffenem Zorn raste. Schon als Kind lernte ich, mich zu wehren, weil mir ganz einfach nichts anderes übrigblieb, und zu dem Zeitpunkt, als ich Lilly kennenlernte, konnte ich bereits auf meine Fähigkeit, mich selbst zu verteidigen, vertrauen. Trotzdem bestand sie darauf, mir so entschlossen zu Hilfe zu kommen, wie der edle Dachs mit Klaue und Knüppel für seinen Freund Maulwurf eintrat.
    Sie ist zwar schlank, wirkt aber kräftig. Obwohl sie nur eins zweiundsechzig groß ist, scheint sie jeden Widersacher zu überragen. Sie ist genauso beeindruckend, furchtlos und entschlossen wie anmutig und gutherzig.
    Doch in dieser Nacht war ihre übliche Anmut von ihr gewichen, und der Schrecken hatte ihre Knochen in unnatürliche Winkel gezwungen. Als ich sie ansprach, fuhr sie zu mir herum. In ihren Jeans und dem über den Hosenbund fallenden Hemd kam sie mir jetzt wie eine sich sträubende Vogelscheuche vor, die durch Zauberei lebendig geworden und völlig verwirrt und verängstigt war, weil sie dessen gewahr wurde, und nun an dem Holzkreuz zerrte, das sie aufrecht hielt.
    Der Strahl ihrer Taschenlampe leuchtete mir genau ins Gesicht, doch in dem Augenblick, in dem sie mich erkannte, richtete sie sie

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