Im Bann der Engel
ihren Haaransatz. „Ich muss dich leider verlassen, Madame Hazard wünscht, dass ich noch etwas Dringendes erledige.« Schüchtern nickte Sophia ihm zu und lauschte wehmütig, bis seine Schritte verklungen waren.
Sie polierte einen Kerzenleuchter und dachte an seine Worte. Unverdorben konnte man gewiss nicht nennen, was sie in der Wanne angestellt hatten. Aber war nicht Madame Hazard diejenige gewesen, die dieses Verhalten provoziert, ja sogar darauf bestanden hatte? Sophia beschloss, die beschämenden Gedanken einstweilen zu verbannen und sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Sie musste noch viel tun. Nicht zuletzt, sich in das sündhaft teure Kleid zwängen, das Madame Hazard ihr eigens für diesen Abend zur Verfügung stellte. Das Korsett war erbarmungslos, weil es doppelt so viele Haken besaß wie ihr eigenes.
Eine Weile später hörte sie, wie Madame Hazard das Haus betrat. Die Metallabsätze ihrer schweren Stiefel knallten auf dem Marmor. Sophia fragte sich, wohin ihre Herrin täglich ging – und warum sie diese absonderliche Kleidung trug. Zuhause pflegte sie wundervolle Kleider aus Samt oder feinster Seide zu tragen. Wenn sie allerdings »zu den Kesseln« ging, wie sie es nannte, kleidete sie sich in lederne enge Hosen, derbe Stiefel mit klobigen Metallabsätzen und grob gewebten Hemden. Einzig ihrem schönen Gesicht schenkte sie trotzdem die Aufmerksamkeit, die es verdiente.
Madame Hazard kam in den Salon. Sophia blickte auf, legte das Poliertuch zur Seite und knickste.
»Marcellus erzählte, ihr hättet euch ganz prächtig amüsiert?«
Sophias Wangen brannten und sie sah beschämt auf ihre Fußspitzen. »Ja«, presste sie schließlich hervor.
»Heute Abend werden zwanzig Gäste kommen, alle ausnehmend einflussreich. Aber das brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Kommst du zurecht oder benötigst du Hilfe?«
Sophia fragte sich, ob sie Madame Hazard mit ihrer kargen Antwort verärgert hatte.
»Es ist alles wunderbar, Madame. Es wird alles bereit sein, wenn die Gäste erscheinen.«
»Ich werde mich ein wenig zurückziehen. Wenn du so gut wärst, Albert zu mir zu schicken. Ich habe mit ihm zu reden.«
»Sehr wohl«, antwortete Sophia und knickste erneut.
Sophia betrat das Schreibzimmer, das Madame Albert für seine Depeschen-Korrespondenzen mit „den Kesseln“ zur Verfügung gestellt hatte.
Ein geflügeltes Wesen, nicht Marcellus, wie Sophia erleichtert erkannte, kniete vor Albert und bearbeitete dessen Gemächt mit dem Mund. An Alberts Hals traten die Sehnen hervor, sein Kiefer war zusammengepresst, die Augen genussvoll geschlossen. Jetzt öffneten sich die Lider. Albert starrte Sophia entrückt an.
»Du dummes Ding, kannst du nicht anklopfen?«, brauste er nach einer Schrecksekunde auf.
»Entschuldigung, ich…«
»Da, sieh dir das an!«, rief er und deutete auf sein Geschlecht, das der Engel mittlerweile freigegeben hatte, und das nun schlapp herunterhing.
»Ich hoffe sehr für dich, es ist wichtig.«
Sophia wusste nicht, wohin sie blicken sollte. Alberts Glied war wie ein Magnet. Sie schloss kurzerhand die Augen und sagte: »Madame Hazard wünscht Sie zu sprechen.«
»Sag ihr, ich komme.«
Sophia verstand nicht, warum Albert kicherte, als er das sagte. Sie wollte es auch nicht wissen, machte auf dem Absatz kehrt und schloss die Tür hinter sich. Dann rannte sie in den Salon zurück.
Ist die ganze Welt verrückt geworden? Fleischeslust, wohin das Auge blickt. Albert mag Männer? Das ist absurd. Und mir – mir macht das Liebesspiel noch nicht einmal Freude.
Tränen ob der Ungerechtigkeit quollen aus ihren Augen, als sie wieder begann zu arbeiten. Verbissen polierte sie das Tafelsilber für einundzwanzig Gedecke, machte mit den Weingläsern weiter, arbeitete sich zu den Serviettenringen vor und arrangierte zwei prächtige Blumensträuße für den Tisch. Dann ging sie sich das Gesicht waschen und war anschließend geistig soweit wiederhergestellt, dass sie dieses Mal an ihrem Aussehen arbeiten konnte. Beim Schließen des Korsetts half ihr das Stubenmädchen. Als Sophia das Kleid überzog, schlug das Stubenmädchen die Hand vor den Mund. »Meine Güte, du siehst großartig aus. Als würdest du zur feinen Gesellschaft gehören.«
»Sag das noch mal«, jubelte Sophia.
»Wie eine feine Dame.«
Sophia fiel ihr dankbar um den Hals und küsste sie auf die Wange.
»Er ist nicht tot, nur ruhig gestellt«, sagte Wesley gelassen. Elena beugte sich ganz dicht über das Gesicht des Mannes.
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