Im Bann der Sinne
sehr du verletzt bist?"
Ihre Kehle brannte. „Bin ich so schwach?", flüsterte sie. „Habe ich so viel Angst vor der Vergangenheit?" Erschrocken bedeckte sie ihren Mund mit den Händen.
Die Seelenqual in ihrem Blick entsetzte Caleb, und er bekam ein furchtbar schlechtes Gewissen. Trotzdem war er nicht bereit, jetzt einen Rückzieher zu machen. Näher war sie nie davor gewesen, über ihre Geheimnisse zu sprechen. „Du bist nicht schwach." Er ging zu ihr und nahm die Hände von ihrem Mund.
„Aber ich habe Angst, Caleb. Schreckliche Angst."
„Wovor denn, Liebling?" Er gab sich genauso viel Schuld an ihrer Situation. Er hatte ihr geholfen, sich zu verstecken und sich von allem zurückzuhalten, was vielleicht zu viel für sie hätte sein können. Er war sogar so weit gegangen, seine Bedürfnisse nur deshalb einzuschränken, weil er befürchtete, sie könne nicht damit umgehen.
Sexuell fingen sie gerade an, miteinander klarzukommen. Doch wie stand es mit der emotionalen Seite? Innerlich war der Abstand zu Vicki immer noch viel zu groß. Sie war viel zu argwöhnisch, um sich ihm zu öffnen. Alle Liebkosungen der Welt konnten die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, dass sie ihm noch nie gesagt hatte, sie liebe ihn.
Er pflegte ihr Liebeserklärungen ins Ohr zu flüstern, aber sie hatte das noch nie bei ihm getan. Diesmal würde er sein Herz nicht wieder aufs Spiel setzen. Nicht, ohne dass sie dasselbe Risiko einging. Vicki musste sich von der Vergangenheit lösen.
„Wovor hast du Angst?", wiederholte er, als sie schwieg.
„Davor, erneut weggeworfen zu werden."
Diese leise ausgesprochenen Worte dämpften seinen Ärger. Er zog Vicki an sich, und sie legte zitternd die Arme um seine Taille. „Davor brauchst du nie wieder Angst zu haben", stieß er aus. „Nie wieder, hörst du?"
Sie antwortete nicht, sie klammerte sich einfach nur an ihn. Caleb küsste ihr Haar und bemühte sich, Vicki zu beruhigen. „Ich werde dich nie verlassen." Sein Ton duldete keinen Widerspruch. „Ich halte meine Versprechen, und an unserem Hochzeitstag habe ich dir versprochen, für immer zu dir zu halten."
Vicki hatte das Gefühl, ihre Kehle sei zugeschnürt. Sie musste sich richtig anstrengen, zu sprechen. „Ich habe nicht gewusst, wie viel Angst ich habe. Solange ich mich nicht mit der Angst beschäftigt habe, habe ich nicht darüber nachgedacht, dass meine Eltern mich verlassen haben."
„Auf ihre Art haben sie sich um dich gekümmert." Er hatte Gregory und Danica kennengelernt und wusste, wovon er redete. „Die beiden eignen sich einfach nicht als Eltern."
„Wie konnten sie mich einfach so allein lassen?" Ihre Stimme brach. „Mich einfach bei Ada lassen und wegfahren, um ein neues Leben zu beginnen. Wie ein Haustier, das man nicht mehr haben will und ins Tierheim bringt. Wie konnten sie das nur tun, Caleb?"
Tränen stiegen ihm in die Augen, doch er wehrte sich dagegen. Am liebsten hätte er Vickis Problem für sie bewältigt. Aber er konnte nichts anderes tun, als sie zu ermutigen, ihren Schmerz und ihre Wut herauszulassen.
Nach einer Ewigkeit, wie es schien, sprach Vicki weiter. „Meine Mutter hat mich oft ihren kleinen Engel genannt. Ich erinnere mich daran, wie ich neben ihr an ihrem Toilettentisch saß und ihr dabei zusah, wie sie Make-up auflegte. Damals hielt ich sie für die schönste Frau der Welt." Ihre Stimme klang tief bewegt. „Sie erzählte mir, ich würde genau wie sie werden und wenn die Zeit reif wäre, würde sie mir zeigen, wie ich mich noch hübscher machen könnte, als ich sowieso schon wäre. Manchmal pinselte sie ein wenig Nagellack auf meine Zehennägel, und ich kam mir dann sehr erwachsen vor."
Caleb streichelte ihr seidiges Haar.
„Dann, eines Tages packte sie meine Sachen, brachte mich zu Adas Haus und winkte mir zum Abschied zu. Mein Vater war bereits Monate vorher gegangen. Ihm hatte ich nie so nahegestanden, deshalb war das nicht so schlimm gewesen. Nach einer Weile hatte ich mich daran gewöhnt. Schließlich hatte ich ja immer noch meine Mutter, und Mütter ließen einen nicht allein.
Lange Zeit glaubte ich, sie würde zurückkommen. Ich saß meistens vor dem Haus auf der Treppe und wartete auf sie." Vicki bewegte sich, und Caleb lockerte seine Umarmung. Als sie die Hände hob, um sich die Tränen abzuwischen, schüttelte er den Kopf und erledigte das für sie. Ihre Lippen zitterten, als Vicki versuchte zu lächeln.
„Liebling", begann er. Der Anblick ihres tränennassen Gesichtes
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