Im Bann der Wasserfee
Also, was willst du in Ys?«
»Warte es ab , sinn-i (altnordisch: Gefährte).«
»Das war aber nicht kymrisch.«
»Schlaues Bürschchen. Dafür bezahle ich dir die Behandlung für deinen Rücken.«
Dylan deutete in Richtung Ys. »Wenn du hier Feinde hast, wirst du diesen Mauern kaum jemals wieder entkommen können. Die ganze Stadt ist eine stark befestigte Wehranlage. Sie ist an allen Seiten von Stadtmauern mit Wehrtürmen umgeben und liegt so nahe am Meer, als wäre die Stadt ihm entrissen worden.« Dylan biss sich auf die Unterlippe. »Nicht nur wäre , die Stadt ist dem Meer entrissen worden! Sie haben einen gewaltigen Deich am Westufer.«
Ragnar bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Woher weißt du das? Von hier aus kann man das doch gar nicht sehen.«
»Ich bin dort vorbeigesch... mit dem Schiff vorbeigefahren.«
»Ich bin übrigens ein entfernter Cousin Cunedda Wledigs.«
Dylan runzelte die Stirn. »Das ist gewagt. Muss es gleich ein Verwandter unseres Königs sein?«
»Es muss. Sonst geben sie uns Unterkünfte bei den Bettlern. Auch niederen Adel bringen sie in anderen Gebäuden als dem Palast unter.«
»Du scheinst dich gut informiert zu haben. Gerissen, wirklich gerissen. Du willst also im Palast oder dessen unmittelbarer Nähe untergebracht werden?«
Ragnar nickte. »Er soll ein Meisterwerk der Baukunst sein.« Um sein Vorhaben ausführen zu können, musste er dort sein, am besten im Gebäude selbst. Soweit er in Erfahrung hatte bringen können, wimmelte es überall im Palast und dessen unmittelbarer Nähe vor Wachen. Je näher er beim König selbst untergebracht wäre, desto eher war er in der Lage, die Schwachstellen der Bewachung herausfinden.
Dylan strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Na, wie ein Bauer sprichst du auch nicht gerade. Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum die Leute in Ys dich abmurksen wollen.«
»Schweig, wir sind gleich in Hörweite.«
Ragnar betete lautlos zu Frigg und Óðinn, dass man ihnen die Geschichte, die er sich ausgedacht hatte, abnehmen würde. Sein Begleiter sah jetzt äußerst attraktiv aus. Man könnte ihn durchaus für den Diener eines Adeligen halten. Das würde ihm selbst zudem das Weibervolk vom Hals halten, das gewiss Gefallen an Dylan finden würde. Weibliche Annäherungsversuche kamen ihm in den nächsten Wochen höchst ungelegen. Das würde warten müssen, bis er sein Vorhaben erledigt hatte – sofern er danach noch lebte.
Sie erreichten das Tor von Ys. Es war gewaltig. Die Stadt dahinter war offenbar größer, als er gedacht hatte.
Ein bärtiger Wächter blickte gelangweilt von einem Wehrturm seitlich des offen stehenden Tores zu ihnen herab. »Wer sucht Einlass?«, erklang gelangweilt seine Stimme.
»Mein Diener Dylan und ich, Rhain Bedwyn, ein entfernter Verwandter von König Cunedda Wledig ap Edern von Cymru. Wir sind auf dem Rückweg von Lutetia.«
Der Wächter runzelte die Stirn. »Für den Verwandten eines Königs habt Ihr aber wenig Hofstaat und Gepäck. «
»Wir wurden Opfer von Wegelagerern, die das Gepäck stahlen. Viel hatten wir ohnehin nicht dabei, da wir unbehelligt hatten reisen wollen – was uns offenbar nicht gelungen ist.« Gezielt legte Ragnar Bedauern in seine Stimme. »Man sagt hier, Ys sei die schönste Stadt von Aremorica und bekannt für ihre Gastfreundschaft. Ich will eine schöne Erinnerung an die von bedauerlichen Vorfällen beschattete Reise haben.«
»Überfälle passieren hier in der Gegend leider immer noch häufiger, aber nicht in Ys selbst. Hier gibt’s so was nicht mehr. Dafür hat unser König gesorgt. Ihr seid aus Segontium?«
Ragnar war überrascht, dass der Wachmann Caernarfon, die Hauptstadt von Gwynedd, kannte, zumindest vom Namen der römischen Befestigung her. Offenbar hatte es sich herumgesprochen, dass die Römer Cymru in vier Königreiche aufgeteilt hatten. Gwynedd war eines davon. Ragnar war während seiner Suche dort gewesen, dennoch hoffte er, dass ihm nicht allzu detaillierte Fragen gestellt wurden. Er wollte seinen Kopf schließlich noch länger auf dem Hals tragen.
»Warum seid Ihr nur zu zweit? Hat ein Verwandter des Königs nicht mehr Gefolge und Diener?«, fragte der Wachmann.
Ragnar brach der Schweiß aus. »Mein Gefolge wurde getötet und ins Meer geworfen. Ein paar flohen auch, als sie den entsetzlichen Schurken gewahr wurden. Außerdem war mein Gefolge ohnehin nicht allzu groß, da ich leider nur ein entfernter Verwandter des Königs bin. Meine Großmutter war eine
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