Im Bann des Maya-Kalenders
der Zeit beschäftigt die Menschen seit je. Es ist deshalb kein Zufall, dass Mönche die ersten Wissenschaftler waren, die die Zeit zu messen begannen und mit dem Fernrohr ins Weltall guckten. Sie suchten zwar Gott, fanden aber immerhin den Kosmos. Sie verstanden ihre Arbeit eigentlich als religiöse Tätigkeit, entdeckten indes auch, dass es ohne Zeit keinen Kosmos gibt. Nirgends offenbarte sich ihnen Gott so direkt und zugleich so geheimnisvoll.
Religiöse Konzepte mit apokalyptischen Inhalten gehen davon aus, dass der Mensch einen Sonderstatus in der Schöpfung genießt und es einen göttlichen Heilsplan für auserwählte Gläubige gibt. Im Christentum hat Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Die Vollendung des Heilsplans geht mit einer apokalyptischen Reinigung und dem Jüngsten Gericht einher.
Es wäre töricht von Gott, den Menschen nach dem kurzen Leben auf der Erde unwiderruflich von der Bühne abtreten zu lassen, sagen sich die Gläubigen.
Die endlose Geschichte der fehlgeschlagenen Endzeitprognosen müsste uns gegen die Verkündigungen der Propheten, Seher und Weltenlehrer immunisieren. Doch wenn überhöhte metaphysische und spirituelle Sehnsüchte ins Spiel kommen, werden die von Vernunft und Verstand erhobenen warnenden Stimmen verdrängt. Wer sich Endzeit-Verkündern anvertraut, lebt riskant. Zumindest setzt er seine psychische Gesundheit aufs Spiel.
Auch Ideologien können Endzeitvorstellungen entwickeln
Doch nicht nur radikale religiöse Seelenfänger kultivieren Endzeitideen, auch politische Führer mit diktatorischen Allüren entwickeln sich gelegentlich zu Apokalyptikern. Für Karl Marx brach die Endzeit an, als Marktwirtschaft und Industrialisierung die Arbeiterklassen ausbeuteten. Der kommunistische Ideologe strebte mit der Revolution und der Diktatur des Proletariats das Millennium an, das Tausendjährige Reich. Hätte er eine gerechte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung umsetzen können, wäre für ihn das goldene Zeitalter angebrochen.
Auch die Nationalsozialisten träumten vom Tausendjährigen Reich, das nicht zufällig an das biblische Millennium erinnert. Sie sahen in Adolf Hitler den neuen Messias, der sich nicht scheute, das Dritte Reich auszurufen. Der Holocaust wurde mit apokalyptischen Ideen gerechtfertigt. Der Glaube, das neue Zeitalter breche an, wenn das Böse ausgerottet sei, ist ein archetypischer Erlösungsgedanke, der älter als die biblische Johannes-Offenbarung ist. Die Urheber des Holocaust bedienten sich bei der biblischen Idee vom Antichrist, der eine Weltregierung bildet, um die gesamte Menschheit zu unterjochen.
Endzeitvisionen können bei Sektenanhängern, spirituellen Suchern und christlichen Fundamentalisten eine Todessehnsucht hervorrufen. Die Überzeugung, in der Endzeit zu leben und demnächst entrückt zu werden, prägt ihr Bewusstsein und entfremdet sie vom irdischen Leben. Sie empfinden den Alltag im Diesseits als Leiden und degradieren ihn zur Prüfung. Deshalb sehnen sie sich nach der Erlösung und fixieren sich geistig auf das Jenseits. So leben Endzeit-Gläubige geistig oft in einer Zwischenwelt.
Nüchtern betrachtet sind die sensiblen Daten, die Endzeitideen wecken, das Produkt unserer Zeitrechnung oder unseres Dezimalsystems, also eine arithmetische Definition, die von Menschen erstellt worden ist. Gott oder die Natur, die wir als Urheber apokalyptischer Ereignisse verantwortlich machen, richten sich aber kaum nach unserer Zeiteinteilung. Die Fixierung auf eine magische Zahl – aktuell der 21. Dezember 2012 – hat viel mit Aberglauben zu tun. Endzeitängste, die sich auf konkrete Daten beziehen, sind irrational. Doch Ängste fragen nicht nach einer rationalen Legitimation und gehorchen nicht logischen Überlegungen.
Wer sind die apokalyptischen Brandstifter? Die Liste ist lang, das Spektrum breit. Dazu gehören Sektenführer, Weltenlehrer, Avatare, Gottgesalbte, neue Christusse, Sprachrohre Gottes, moderne Propheten, New-Age- oder Esoterik-Gurus, Seher, Medien und Okkultisten. Sie predigen die Apokalypse oder ein neues Zeitalter und erwarten globale Katastrophen. Ein Paradigma-Wechsel verleiht den Eingeweihten angeblich ein höheres Bewusstsein. Zu den klassischen Endzeit-Gemeinschaften zählen Fiat Lux (Uriella), das Universelle Leben (Gabriele Wittek), die St. Michaelsvereinigung (Paul Kuhn), die angeblich einen direkten Draht zum Himmel haben und als Neuoffenbarer die Bibel fortschreiben. Aber auch theosophische
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